Den Umgang mit Regenwasser neu denken
Längere Hitzeperioden und geringerer Niederschlag im Sommer sowie häufigere Starkregenereignisse bei zunehmender Versiegelung führen vor allem in Städten zu einem Umdenken im Umgang mit Regenwasser. In Berlin informierten Experten über den Stand der Dinge und intelligente Konzepte für die Zukunft.
Überflutungs- und Hitzevorsorge optisch ansprechend und in der Sache effizient: Der begehbare Dachgarten des AERA-Bürogebäudes in Berlin.
Foto: Bundesverband GebäudeGrün
Klimaresiliente Innenstädte brauchen Regenwasser – um Stadtbäume mit ausreichend Wasser zu versorgen, Überhitzung zu verhindern und den natürlichen Wasserhaushalt so gut wie möglich zu erhalten. Dieser neue Blick auf den Umgang mit Regenwasser stand im Mittelpunkt einer Presseveranstaltung mit rund 40 Journalistinnen und Journalisten der Fach-, Publikums- und Tagespresse in Berlin. Erstmals vorgestellt wurde bei diesem Anlass unter anderem eine aktuelle Marktbefragung der Mall GmbH zum Umgang mit Regenwasser in Deutschland, Österreich und der Schweiz, an der im Frühjahr 2025 insgesamt 4.458 Personen aus Architektur- und Ingenieurbüros, Handwerk, Behörden, Hochschulen und dem Baustofffachhandel teilgenommen haben.
Wie dem Klimawandel begegnen?
Dr. Tim Peters von der Provinzial Holding analysierte in seinem Vortrag die Ursachen und Auswirkungen extremer Starkregenereignisse und zeigte auf, wie deren Risiken in Deutschland noch immer unterschätzt werden. Anhand meteorologischer Grundlagen, Schadensdaten und Klimaszenarien verdeutlichte er die wachsende Bedeutung einer präzisen Risikobewertung und einer verbesserten Aufklärung sowie Absicherung gegenüber Naturgefahren, die anhand konkreter Schadenereignisse aus der Vergangenheit und deren versicherungsrelevanter Bewertung untermauert wurde.
Als anerkannter Experte aus dem Bereich der Wasserinfrastruktur stellte Professor Dr. Heiko Sieker vom gleichnamigen Ingenieurbüro aus Berlin praxisnahe Strategien zur Umsetzung des Schwammstadtprinzips vor, mit Fokus auf den Umgang mit Starkregen, Trockenperioden und steigender Flächenversiegelung. Anhand konkreter Berliner Projekte wie den Buckower Feldern zeigte er, wie multifunktionale Flächen, Baumrigolen und dezentrale Speicher zur klimaangepassten Stadtentwicklung beitragen können und formulierte Handlungsempfehlungen für Planung, Regelwerke und Integration der Infrastruktur.

Treffen in Berlin: Zum Umgang mit Regenwasser referierten (v.l.): Professor Dr. Heiko Sieker (Ingenieurgesellschaft Prof. Dr. Sieker mbH), Martin Lienhard (Mall GmbH), Dr. Tim Peters (Provinzial Holding), Markus Böll (Mall GmbH), Dr. Gunter Mann (Bundesverband GebäudeGrün e.V.) und Christoph Schulze Wischeler (Mall GmbH).
Foto: Mall
Dr. Gunter Mann, Präsident Bundesverband GebäudeGrün e.V., präsentierte aktuelle Marktdaten, Trends und Praxisbeispiele zur Dach- und Fassadenbegrünung: So verzeichnete der Gründachmarkt 2023 mit über zehn Millionen Quadratmetern neu begrünter Fläche ein deutliches Wachstum, ebenso der Bereich Fassadenbegrünung. Mehr als die Hälfte der Städte über 50.000 Einwohner geben finanzielle Zuschüsse für die Umsetzung von Dach- und Fassadenbegrünungen. Neben kommunalen Förderinstrumenten wurden vielfältige Anwendungen – von Retentionsgründächern über Biodiversitätsflächen bis hin zu Solargründächern – als Lösungen für Klimaschutz und Stadtentwicklung aufgezeigt.
Mall-Geschäftsführer Christoph Schulze Wischeler stellte die strategische Ausrichtung des Unternehmens im Bereich Regenwasserbewirtschaftung und klimarelevanter Infrastruktur vor und betonte, dass die Schwammstadt kein Pilotprojekt mehr sei. Praxisbewährte Lösungen stellte Martin Lienhard, Leiter der technischen Abteilung bei Mall, vor. Ergänzt wurde sein Vortrag durch Praxisbeispiele.
Was sind die drängendsten Themen?
Ein aktuelles Stimmungsbild der Branche zeigen die Ergebnisse der nach 2020 und 2023 zum dritten Mal durchgeführten Marktbefragung der Mall GmbH, die Pressesprecher Markus Böll vorstellte. 77 % der befragten Architekten, Ingenieure und Behördenvertreter sehen die dezentrale Regenwasserbewirtschaftung positiv. Deshalb erwarten insgesamt 98 % der Umfrageteilnehmenden auch eine steigende oder zumindest gleichbleibende Nachfrage bei Maßnahmen der dezentralen Regenwasserbewirtschaftung. Die ungleiche Verteilung des Regenwassers zwischen punktuellem Starkregen und Trockenperioden spiegelt sich in den Topthemen der Zukunft wider: Starkregen und Regenwassernutzung stehen mit 74 % und 72 % bei den Befragten ganz oben. Insgesamt zeigt sich, dass alle Bausteine der Regenwasserbewirtschaftung, nämlich Rückhaltung, Speicherung/Nutzung, Behandlung, Versickerung und Verdunstung, notwendig sein werden, um den Auswirkungen des Klimawandels entgegenzuwirken.

Umfrage unter Architektur- und Ingenieurbüros, Handwerk, Behörden, Hochschulen und dem Baustofffachhandel: Was sind für Sie in der dezentralen Regenwasserbewirtschaftung die Themen der Zukunft? Mehrfachnennungen waren möglich. Grafik: Mall
Wo gibt es Praxisbeispiele zu betrachten?
Realisierte Bauvorhaben aus dem Schwammstadt-Umfeld standen im Mittelpunkt des zweiten Tages: Das Bürogebäude AERA in Berlin-Charlottenburg hat einen öffentlich zugänglichen Dachgarten mit fünf verschiedenen Baum- und 25 Pflanzenarten und kann durch das integrierte Retentionssystem auch Wasser speichern, das in Trockenperioden den Pflanzen zur Verfügung steht und bei Starkregen das städtische Überflutungsrisiko reduziert. Der Gendarmenmarkt ist seit seiner Sanierung vollständig von der Kanalisation abgekoppelt – das anfallende Regenwasser wird über Substratfilter gereinigt und versickert anschließend über Rigolen im Untergrund.
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