Neue Vergaberegeln in NRW
In Nordrhein-Westfalen müssen kommunale Auftraggeber ab dem 1. Januar 2026 bei Vergaben unter dem europäischen Schwellenwert die VOB/A, 1. Abschnitt, und die UVgO nicht mehr beachten. Welche Folgen ergeben sich daraus?
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Schon bisher durften nordrhein-westfälische Kommunen bis zu relativ hohen Auftragswerten die beschränkte Ausschreibung und die freihändige Vergabe wählen. Ab dem 1. Januar 2026 wird das Vergaberecht mit einer Formulierung der amtlichen Begründung „auf Null“ gesetzt. Ziel der Reform ist eine Entbürokratisierung, eine Beschleunigung von Beschaffungsvorhaben und eine Angleichung an die Vergabemöglichkeiten der Tochtergesellschaften von Kommunen. Außerdem soll das „Schweizer Modell“ umgesetzt werden: Kommunen können bei der Vergabe vorgeben, dass nicht der niedrigste Preis entscheidet, sondern Kriterien wie Qualität, Nachhaltigkeit, Zweckmäßigkeit, Betriebskosten bewertet werden. Letzteres ist allerdings auch in den Vergabeordnungen schon immer vorgesehen gewesen.
Paragraf 26 der Kommunalhaushaltsverordnung NRW, der die Vergabe von öffentlichen Aufträgen im Wege der öffentlichen oder beschränkten Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb vorgibt, soweit nicht Ausnahmen vorliegen, wird aufgehoben. Damit entfallen auch die Kommunalen Vergabegrundsätze.
Grundprinzipien der Vergabe: Gleichbehandlung und Transparenz
In Paragraf 75a Gemeindeordnung NRW werden „Allgemeine Vergabegrundsätze“ eingeführt. Kommunen haben Aufträge wirtschaftlich, effizient und sparsam unter Beachtung der Grundsätze von Gleichbehandlung und Transparenz zu vergeben.
Daraus ergibt sich, dass die Grundprinzipien des Vergaberechts weiterhin zu beachten sind: Aus dem Gebot der Wirtschaftlichkeit ergibt sich, dass nur zu Marktpreisen vergeben werden darf, was in aller Regel einen Wettbewerb erforderlich macht. Es müssen also grundsätzlich stets mehrere Angebote eingeholt werden. Transparenz bedeutet, dass, wenn der Auftraggeber nicht im Einzelfall nur bestimmte Unternehmen anspricht und zur Angebotsabgabe auffordert („beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb“), das Verfahren mit einer Auftragsbekanntmachung eingeleitet werden muss. Insbesondere müssen Verfahren in sich transparent gestaltet werden. Dafür sorgten bislang die Vorgaben in VOB/A und UVgO. Nunmehr muss der Auftraggeber selbst die Transparenz sicherstellen, also die Bewerber/Bieter darüber informieren, wie das Verfahren ablaufen wird, welche Eignungsanforderungen er stellt und welche Nachweise er dazu fordert, welche Zuschlagskriterien mit welcher Gewichtung angewandt werden sollen, ob und wie viele Verhandlungsrunden es geben soll et cetera. Diese Vorgaben können nachträglich nur unter strikter Wahrung des Gebotes der Nichtdiskriminierung geändert werden.
Grundsatz der Nichtdiskriminierung
Schließlich ist das Diskriminierungsverbot zu beachten. Alle Bewerber/Bieter müssen gleich behandelt werden, also gleiche Informationen und Fristen bekommen. Eignungs- und Zuschlagskriterien müssen nichtdiskriminierend sein.
Spannend ist ein weiterer Aspekt: Nicht wenige Regelungen der VOB/A und UVgO werden auf den Grundsatz der Nichtdiskriminierung zurückgeführt. Dies müsste dann auch zukünftig gelten. So wird etwa das Erfordernis der Losbildung, von der nur aus in der Leistung liegenden Gründen abgesehen werden darf, darauf gestützt, dass mittelständische Unternehmen nicht diskriminiert werden sollen. Das Verbot, bestimmte Produkte und nach einer neuen Entscheidung des EuGH (vgl. HLH Bd. 76 (2025) Nr. 09, S. 70) auch Materialien vorzugeben, beruht auf dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung. Der Ausschluss von verspätet eingegangenen oder von den Vorgaben des Auftraggebers abweichenden Angeboten gründet in der Gleichbehandlung der Bieter. Diese – unvollständige – Aufzählung lässt erkennen, dass auch zukünftig bei aller Freiheit zahlreiche Einzelgesichtspunkte nach wie vor zu beachten sind, auch wenn es dafür keine ausdrücklichen Regelungen mehr gibt.
Neuerung: Verhandlungen erlaubt
Die entscheidende Neuerung ist, dass es kein Verhandlungsverbot mehr gibt. Auch wenn der Auftraggeber ein Verfahren im Sinne der öffentlichen Ausschreibung wählt, kann er nach Angebotsöffnung mit allen Bietern über die Leistungen, die Preise und die Vertragsbedingungen verhandeln. Da zudem keine Vorgaben bezüglich irgendwelcher Verfahren bestehen, kann grundsätzlich ein Bauvorhaben mit einem geschätzten Wert von 5,5 Millionen Euro netto (nach aktuellem Schwellenwert) freihändig vergeben werden. In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, dass die freihändige Vergabe beziehungsweise die Verhandlungsvergabe keine eigenständige Rolle mehr spielen werden, weil sie keinen Unterschied zu einer beschränkten Ausschreibung haben, bei der ja auch verhandelt werden darf.
Andere Vorgaben für Vergabeverfahren sind nach wie vor zu beachten. Das TVgG NRW ist anzuwenden. Bei Binnenmarktrelevanz sind die vom EuGH aufgestellten Regelungen (insbesondere eine zwingende Bekanntmachung) zu beachten. Wenn ein Vorhaben gefördert wird, sind die Förderbestimmungen zu beachten.
Regelungen, die über die Grundsätze des Paragrafen 75a Gemeindeordnung NRW hinaus Vergabeverfahren inhaltlich bestimmen und einschränken, sind nur durch Satzung möglich. Solche Regelungen werden die Kommunen intern benötigen. Die kommunalen Spitzenverbände in NRW haben eine Mustersatzung erstellt, die entsprechende Möglichkeiten aufzeigt.




