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Brauerei Weihenstephan 09.05.2025, 12:25 Uhr

Neue Lüftungstechnik für älteste Brauerei der Welt

Die Bayerische Staatsbrauerei Weihenstephan investiert nach und nach in die Modernisierung ihrer Braustätte auf dem Weihenstephaner Berg in Freising. Zuletzt wurde nach nur anderthalb Jahren Bauzeit ein neuer Braukeller eingeweiht – ein anspruchsvolles Projekt mit anspruchsvollen Anforderungen an die Klimatechnik.

Sie ist die „älteste Brauerei der Welt“ und „älteste noch bestehende Braustätte der Welt“ – die Brauerei Weihenstephan ist mit Recht stolz auf ihre jahrhundertealte Tradition. Damit die rund 1.000-jährige Braukunst auch in der Zukunft erfolgreich ist, erstellte das Unternehmen in Zusammenarbeit mit dem Technischen Büro Weihenstephan einen Masterplan, der sukzessive umgesetzt wird. Neben einem neuen Logistikzentrum, einer neuen Entalkoholisierungsanlage und einer neuen Filtration entstand auch ein neuer Braukeller. Die Gründe hierfür waren vielfältig: Aufgrund der vor allem im Sommer steigenden Nachfrage nach untergärigen Bieren wie Helles, Pils oder Festbier erreichte der bisherige Keller seine Kapazitätsgrenze. Denn für diese Spezialitäten benötigt man niedrigere Temperaturen sowie längere Gär- und Lagerzeiten. Als ursprünglich auf obergäriges Weißbier spezialisierte Brauerei waren die alten Tanks dafür weder volumentechnisch noch wirtschaftlich ausgelegt. Die Auslagerung des neuen Logistikzentrums schaffte wiederum freie Flächen, so dass der neue Keller direkt an die bestehenden historischen Gebäude angebaut werden konnten.

Spezielle Anforderungen an Modernisierung

Im Juli 2024 feierte die Brauerei die Eröffnung des neuen Kombikellers. Insgesamt ist hier nun Platz für 24 Biertanks, davon wurden in der ersten Ausbaustufe drei kleine und vier große Drucktanks, vier Kombitanks sowie ein Althefetank installiert. Damit kann zukünftig sehr flexibel auf die Nachfrage nach ober- und untergärigen Bieren reagiert werden.

Vorangegangen war dem Projekt eine ausführliche einjährige Planungsphase. Denn vor allem bei der Klimatechnik galt es besondere Anforderungen zu berücksichtigen. Ein Bierkeller ist ein hygienisch hochsensibler Produktionsbereich mit klaren Vorgaben an Temperatur, Feuchte und maximale Kohlendioxidwerte, Hygiene und Raumluftströmung. Beispielsweise mussten alle Einbauteile aus Edelstahl bestehen, um der regelmäßigen Reinigung mit Säuren und Laugen sowie Korrosion standzuhalten. Neben der Hygiene ist vor allem die Wärme- und Feuchteabfuhr wichtig. Hierfür holte sich die technische Leitung der Brauerei Weihenstephan mit der Kiefer Klimatechnik GmbH einen erfahrene Experten in der Lüftungstechnik an seine Seite. Die Stuttgarter planen und realisieren bereits seit über 140 Jahren raumluft- und klimatechnische Anlagen. Unter anderem ist man auf die Getränkeindustrie und insbesondere auf Brauanlagen spezialisiert.

Langjähriges Know-how für Brauanlagen

Neben zahlreichen erfolgreichen Projekten bei anderen renommierten Brauereien überzeugte Kiefer unter anderem bei einem früheren Auftrag in der Brauerei Weihenstephan. Für einen bereits bestehenden Lagerkeller übernahm das Stuttgarter Unternehmen seinerzeit erfolgreich die Planung und Umsetzung einer Sorptions-Entfeuchtungsanlage. „Beim neuen Kombikeller galt es, die Planungen, technischen Randbedingungen und Schnittstellen zu überprüfen sowie Einbau, Inbetriebnahme, Wartung und Inspektion sicherzustellen“, berichtet Thomas Sigle, Leiter Anlagenbau bei Kiefer Klimatechnik. Er verantwortete im Vorfeld die Abstimmung mit den Architekten und der technischen Leitung, übernahm die Prüfung und koordinierte die anschließende Umsetzung.

Alle Einbauteile, wie zum Beispiel die CO2–Erfassungsanlage, mussten aus Edelstahl sein um Reinigung und Korrosion standzuhalten. ­

Foto: Fototcraft / Christian Schranner

Bei der Planung gab es verschiedene Vorgaben zu beachten: Die Einhaltung eines bestimmten Feuchtefensters – das heißt maximal 70 Prozent relative Luftfeuchte im Raum – sollte im Zusammenhang mit den zu erwartenden Oberflächentemperaturen von Raumumschließungsflächen wie Boden, Decke, Wände und Teilen der Brauanlage gewährleistet sein. „Da Medienleitungen mit zugehörigen Einbauteilen teilweise Oberflächentemperaturen unter 0 °C aufweisen, soll die Kondensatmenge auf diesen Installationen weitgehend reduziert werden. Das haben wir unter anderem durch eine gleichmäßige Luftverteilung im Raum erreicht“, erläutert Sigle weiter.

Darüber hinaus galt es die relative Raumluftfeuchte zu begrenzen, um Schimmelbildung zu vermeiden. Dafür musste an den kalten Gebäudeoberflächen die Taupunkttemperatur begrenzt werden. Aufgrund teilweise nasser Bodenflächen in den Kellerräumen und der Infiltration von Außenluft mit hoher absoluter Feuchte ist daher vor allem die Entfeuchtung ein wichtiger Punkt. Dies wird durch Einbringen von entfeuchteter Außenluft gewährleistet. Die Entfeuchtung erfolgt sowohl im Lüftungszentralgerät bei hohen Außenluftfeuchten durch Kondensation in der Wärmerückgewinnungseinheit als auch am Luftkühler der folgenden Nachbehandlungseinheit. Damit können Zuluftfeuchten von 6,1 g/kg entsprechend einer Taupunkttemperatur von 6,5 °C erzielt werden. Sollte nach vorliegenden Betriebserfahrungen noch weiter entfeuchtet werden müssen, ist die Nachrüstung von Sorptionselementen möglich. Damit können absolute Zuluftfeuchten von 1,8 g/kg entsprechend einem Taupunkt von – 3 °C erreicht werden. Zusätzlich sind die Tanks und die Anlagentechnik so intelligent verrohrt, dass ein Auslaufen des Bieres verbunden mit anschließendem Wegspritzen überwiegend vermieden wird.

Da Kohlendioxid schwerer als Luft ist und sich in geschlossenen Räumen oder tieferliegenden Bereichen wie Kellern leicht ansammeln kann, musste eine solche Anhäufung oder auch das Abströmen in weitere Räume grundsätzlich vermieden werden. Auch in solchen Fällen wird die nachzuführende Außenluft entfeuchtet und das bei der Gärung entstehende Kohlendioxid abgesaugt. Im Havariefall strömt die Außenluft direkt über die in der Außenwand integrierte Jalousieklappe nach.

Die Tanks mit Umschaltventilen werden an der Decke in unterschiedlichen Farben illuminiert, die sich jeweils auf die darin gelagerten Biere beziehen (untergärig, obergärig und alkoholfrei).

Foto: Fototcraft / Christian Schranner

Bauteile visuell ansprechend integriert

In der Brauerei finden oftmals Veranstaltungen, Führungen, Feiern sowie Touristen- und Kundenbesuche statt. Da im neuen Keller auch direkt Bier gezapft werden kann, sollte der Raum bei Bedarf durch eine LED-Showbeleuchtung entsprechend in Szene gesetzt werden können. Aus diesem Grund wurden an das Design der Anlagenplanung und der Raumgestaltung hohe Anforderungen gestellt. Beispielsweise sollten die lufttechnischen Bauteile visuell so integriert werden, dass sie sich optisch ansprechend in den Raum integrieren. Sigle ergänzt: „Deshalb haben wir die an der Wand angebrachten CO2–Erfassungseinrichtungen und die Außenluftnachströmeinheiten aus Edelstahl in enger Abstimmung mit dem Architekten gestaltet.“ Dass sich der neue Kombikeller wie gewünscht bestens auch für große Feierlichkeiten eignet, zeigte sich bei der Einweihung: „Alle Projektbeteiligten waren begeistert und sehr zufrieden mit dem Ergebnis“, freut sich Sigle.

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