Unabhängige Energieversorgung 26.08.2025, 11:19 Uhr

Familienunternehmen setzt auf umfassende Elektrifizierung

Der Dortmunder Wälzlagerspezialist KIS Antriebstechnik möchte bis 2027 nahezu vollständig energieautark werden. Das Konzept umfasst Optimierungen im und am Gebäude, einen hohen Grad an selbst erzeugtem PV-Strom und dessen Speicherung sowie die Wärmeversorgung über zwei Wärmepumpenkaskaden.

Ehrgeizige Mission: Der Dortmunder Firmensitz von KIS Antriebstechnik soll bis 2027 nahezu vollständig energieautark werden. Foto: KIS GmbH

Ehrgeizige Mission: Der Dortmunder Firmensitz von KIS Antriebstechnik soll bis 2027 nahezu vollständig energieautark werden.

Foto: KIS GmbH

In unmittelbarer Nähe des Hoesch-Gasometers im Dortmunder Ortsteil Hörde, auf der Fläche des ehemaligen Roheisenwerkes Phoenix-West, arbeitet das Familienunternehmen KIS erfolgreich an der eigenen Energiewende. „Als KMU wollen wir zeigen, dass weder die Unternehmensgröße noch die Branchenzugehörigkeit entscheidend für einen maximalen Beitrag zum Klimaschutz sind“, so Geschäftsführer Tim Kohlhaas. Das Transformationskonzept vereint ökonomische und ökologische Ziele mit der Absicht, dass KIS bis zum Jahr 2027 größtenteils energieautark wirtschaften kann. Auf dem Weg dorthin folgt man einem Stufenplan: Neben den bisher erreichten Zielen sollen 2025 weitere 70 bis 80 % des Corporate Carbon Footprint (CCF) eingespart werden, indem in effiziente Anlagen, Maschinen und Geräte investiert wird. Mit den bis zum Jahr 2027 vorgesehenen Maßnahmen kann in den Scopes 1 und 2 des Greenhouse Gas Protocol (GHG Protocol) Klimaneutralität bilanziert werden. Darüber hinaus sind nach 2027 auch Maßnahmen gemäß Scope 3 geplant, um den CCF im Unternehmen sowie in der Wertschöpfungskette weiter zu senken. Dazu zählen zum Beispiel die Förderung der Zirkularität, die Nutzung von möglichst klimaneutralen Transporten, die Einführung von digitalen Produktpässen, die Vermeidung von Abfall und die Förderung einer nachhaltigen Mitarbeitermobilität.

Zweiteilige Bebauungsstruktur

Die Ausgangslage: Das Dortmunder Firmengebäude besteht aus zwei Teilen: Der erste Bauabschnitt wurde 2009 erbaut und beinhaltet Büro- und Lagerräume und den mechanischen Bereich für Spezialumbauten. Die zehn Jahre später angebaute Halle beherbergt ebenfalls Büro- und Lagerräume, das Messlabor, die Prototypenwerkstatt, die Montagestraße für Komponenten und Module sowie die Verpackungsstraße. Insgesamt sind 4.000 Quadratmeter zu beheizen, 2021 wurden als Heizlast 54 kW ermittelt. Das Gebäude war bis dahin an ein fossil betriebenes Nahwärmenetz (Ölheizung) der Stadt Dortmund angeschlossen. Der ältere Gebäudeteil verbrauchte im Jahr 2021 rund 160.000 kWh Wärme, die neue Halle etwa 107.000 kWh. Auf dem Dach war eine Photovoltaik-Anlage installiert, deren Ertrag von rund 17 kWp bis 2029 vollständig ins Stromnetz eingespeist wird.

Der Strom aus den PV-Anlagen sowie zusätz­licher Grünstrom aus einem dynamischen Tarifmodell fließt zunächst in die Stromspeicher und Akkus von E-Autos, kann aber auch direkt von Wärmepumpen genutzt werden.

Foto: KIS GmbH

Pläne zur Energiewende: Unterstützung durch die Universität Kassel

Durch die wachsende E-Mobilität des Unternehmens und den absehbar größer werdenden Maschinenpark stand im Jahr 2020 fest, dass sich der Strombedarf erhöhen würde. Die Niederspannungsversorgung des Standortes ist auf 140 kW Leistung gedeckelt und wird erst ab 2029 weiter ausgebaut. Daher lehnte der Netzbetreiber die Installation einer Großwärmepumpe mit einer Leistung von 160 kW folgerichtig ab. Um dennoch die eigene Energiewende einleiten zu können, holte sich KIS beim Fachgebiet „Umweltgerechte Produkte und Prozesse (upp)“ der Universität Kassel fachliche Unterstützung. Gemeinsam wurde der Fahrplan zur vollständigen Elektrifizierung des Unternehmens bis zum Jahr 2027 entworfen.

Die „Mission Energie-Autarkie 2027“ sieht vor, den Firmensitz in Dortmund vollständig zu elektrifizieren und so bis 2027 die Möglichkeit zu schaffen, größtenteils energetisch autark zu wirtschaften. Ziel ist das Erreichen der Energieautarkieklasse A+ des GHG Protocols.

Das erste Etappenziel war, auf Basis der Verbrauchsdaten des Jahres 2021 innerhalb von drei Jahren bei der Wärmeenergie 35 % einzusparen und gleichzeitig Vorbereitungen zu treffen, um zeitnah weitere 14 % realisieren zu können. Durch diese Maßnahmen werden bereits rund 80 % des Corporate Carbon Footprints im Vergleich zu 2021 eingespart. Der Verbrauch an Wärme reduzierte sich in der Heizperiode 2023/24 auf 111.000 kWh – er hat sich also mehr als halbiert.

PV und Stromspeicher

Da in absehbarer Zeit keine Aussicht besteht, CO2-arme Fernwärme zu beziehen, beruht die Dekarbonisierungsstrategie von KIS darauf, die Energieversorgung des gesamten Standorts zu elektrifizieren. Das bedeutet, möglichst viel elektrische Energie in Form von Photovoltaik-Strom selbst zu erzeugen, diesen Strom im großen Maßstab zu speichern und zur Wärmeerzeugung kleine, in Reihe geschaltete Wärmepumpen zu betreiben. Gleichzeitig wurden und werden im Gebäude Maßnahmen ergriffen, um den Stromverbrauch im Betrieb deutlich zu senken.

Inzwischen wurden neben der ersten PV-Anlage zusätzlich 143 kWp Leistung installiert. Läuft die Förderung für die Direkteinspeisung der ersten Anlage 2029 aus, treten an ihre Stelle weitere 75 kWp. Ein Jahr später ist vorgesehen, eine weitere PV-Anlage auf einem Carport zu installieren. Bei der Stromspeicherung setzt das Unternehmen KIS auf zwei sich ergänzende Stromspeichertechnologien: Lithium-Ionen-Speicher (77 kWh Kapazität), die dynamische Ladezyklen erlauben und eine hohe Energiedichte aufweisen, und Redox-Flow-Batterien (140 kWh Kapazität), die skalierbar und schnell arbeiten und verlustfrei für die Langzeit-Energieaufbewahrung optimiert sind. Der Strom aus den PV-Anlagen sowie zusätzlicher günstiger Grünstrom aus einem dynamischen Tarifmodell fließt zuerst in die Stromspeicher und Akkus von E-Autos und kann auch unmittelbar von Wärmepumpen und anderen Verbrauchern des Betriebs genutzt werden.

Optimierte Wärmeverteilung

Der Wärmebedarf über alle Räume hinweg betrachtet ist gesunken, da über die Fußbodenheizung niedrig frequentierte Bereiche weniger beheizt werden als Räume, in denen sich viele Personen aufhalten. Deckenventilatoren gleichen die Raumtemperatur in den Hallen aus und vermeiden eine Temperaturschichtung mit kühlen Temperaturen am Boden und einem Wärmestau unter der Hallendecke. Speed-Sektionaltore trennen die einzelnen Temperaturzonen voneinander. Alt- und Neubau werden durch zwei eigenständige Heizungskreisläufe versorgt, in die jeweils ein 1,5 Kubikmeter fassender Schichtenspeicher integriert ist.

Die Vorlauftemperatur der Fußbodenheizung beträgt 32 °C, die Temperatur des Rücklaufs wird durch die internen Wärmequellen von 25 °C auf bis zu 27 °C angehoben.

Foto: KIS GmbH

Da der Wärmebedarf der beiden Gebäudeteile aufgrund der Bausubstanz (Dämmstandard) unterschiedlich ist und zudem jeweils unterschiedliche betriebsinterne Wärmequellen als „erneuerbare Energie“ genutzt werden, wurde für beide Bauabschnitte jeweils eine eigene skalierbare Wärmepumpen-Kaskade installiert. Sie ist eine eingehauste Sonderlösung mit einer Wärmeleistung von insgesamt 52 kW. Die Wärmepumpen werden monoenergetisch bivalent parallel betrieben. Als Wärmequelle für den Bestandsbau (Produkt Wolf ProjectCube 30 = drei Mal CHA 10) dient nicht nur die Außenluft, sondern auch die Wärme aus der Abluft des Messlabors und der Stromspeicher.

Die Wärmepumpen-Lösung hat inklusive Peripherie eine Anschlussleistung von nur 52 kW – also im Vergleich mit einer Großwärmepumpe nur etwa ein Drittel. Das bietet Vorteile bei der Regelbarkeit.

Foto: KIS GmbH

Die zweite Kaskade für den Neubau (zwei Mal CHA 10 mit vandalensicherer Schutzeinhausung) nutzt dagegen zusätzlich die Abwärme der Kompressoren und der Stromspeicher als zusätzliche Energiequelle. Diese (sonst verlorene) Wärmeenergie wird jeweils zur Rücklaufanhebung genutzt. Die Vorlauftemperatur der Fußbodenheizung beträgt 32 °C, die Temperatur des Rücklaufs wird durch die internen Wärmequellen über einen eigenen Kreislauf im Pufferspeicher von 25 °C auf bis zu 27 °C angehoben.

Liegt im Gebäude nur ein sehr geringer Wärmebedarf an, schalten sich nicht benötigte Wärmepumpen aus. Sie modulieren bedarfsgerecht und arbeiten auf diese Weise lange im hocheffizienten Teillastbetrieb. Das wirkt sich wiederum positiv auf ihren Strombedarf aus. Die Jahresarbeitszahlen liegen entsprechend zwischen 4,1 und 4,4. Die intelligente Einschalt- und Laufzeitoptimierung verringert darüber hinaus den Verschleiß und die Wartungsintervalle, was wiederum die Betriebssicherheit erhöht.

„Diese Wärmepumpen-Lösung hat inklusive Peripherie eine Anschlussleistung von nur 52 kW – also im Vergleich mit einer Großwärmepumpe nur etwa ein Drittel – und das bietet sowohl Vorteile bei der Investition als auch bei der Regelbarkeit. Die verhältnismäßig kleinen, parallel geschalteten Wärmepumpen machen die Nutzung von selbst erzeugtem PV-Strom erst möglich, insbesondere in Phasen, in denen nur geringere Leistungen durch die PV-Anlage zur Verfügung gestellt werden kann“, erläutert Tim Kohlhaas.

Heizstab und Speicher

Die integrierten Heizstäbe (zusammen 45 kW) sichern die Spitzenlast bei kalten Außentemperaturen im Minusbereich ab. Aus Sicherheit beziehungsweise als „Sommerlösung“ kann auch in den Pufferspeicher ein E-Heizstab integriert werden, da durch die neue PV-Anlage ausreichend elektrische Energie zur Verfügung steht.

Alt- und Neubau werden durch zwei eigen­ständige Heizungskreisläufe versorgt, in die ­jeweils ein 1,5 Kubikmeter fassender Schichtenspeicher integriert ist.

Foto: KIS GmbH

Im Bestandsbau wurde mit maximal fünf Prozent Einsatz für den Heizstab kalkuliert, im Neubau mit maximal zwei Prozent. Der Heizstab kommt zum Einsatz, wenn das Thermometer an drei aufeinanderfolgenden Tagen Temperaturen von minus 7 °C und darunter anzeigt.

Die beiden 1 500 Liter-Speicher in den Heizkreisen mit 52 kW Ladekapazität haben mehrere Funktionen:

  • Überbrückung von Sperrzeiten durch den Netzbetreiber,
  • effiziente Nutzung von Nachtstrom/Überschussstrom am Wochenende,
  • zeitliche Entkopplung der Wärme­erzeugung vom -verbrauch,
  • Integration mehrerer Wärmeerzeuger,
  • Verlängerung der Lebenszeit des gesamten Systems.

Energiemanagement-System

Um das komplexe Energiesystem effizient und effektiv managen zu können, wird ein KI-gestütztes Energiemanagementsystem eingeführt. Dieses optimiert auf der Basis von Wetterprognosen und betrieblichen Anforderungen die multikriterielle Balance von Erzeugung und Netzbezug, netzdienlichem Eigenverbrauch und Stromhandel an der Börse, Speicherung und Einspeisung/Verbrauch. Der Fokus liegt damit auf einem wöchentlichen Prozess mit intelligenter Sektorenkopplung statt auf einem täglichen voreingestellten Heizzyklus.

Auch der Stromverbrauch im Gebäude wurde optimiert, da zwischen niedrig und hochfrequentierten Bereichen unterschieden wird, die bedarfsgerecht versorgt werden. Die Beleuchtung wird zum einen über Sensorik und zum anderen über eine anwesenheits- und tageslichtabhängige Konstant-Beleuchtung geschaltet. Durch diese Maßnahme spart das Unternehmen bereits rund zwei Drittel des Strombedarfs für die Beleuchtung ein.

Die Raumtemperatur des Server-Raums wurde im Sommerbetrieb auf 26 °C angehoben. Die Umluftkühlgeräte arbeiten mit einer geringerer Luft­menge und damit niedrigerer Stromaufnahme.

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Von Wolf GmbH / Marc Daniel Schmelzer

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