Parken, einstöpseln, laden, fertig
Seit die Roadmap zur Implementierung des Standards ISO 15118-2 und des Protokolls OCPP 2.0.1 abgeschlossen ist und die ersten Ladesäulenhersteller kompatible Produkte auf den Markt bringen, rückt der „Plug&Charge“-Alltag in greifbare Nähe. Der neue State-of-the-Art-Kommunikationsstandard macht dem Attribut „bequem“ alle Ehre und gewährt Nutzerinnen und Nutzern sowie Betreibern ein sehr entspanntes und gleichzeitig hocheffizientes Ladeszenario.

So wird der Ladevorgang zum Kinderspiel: Bei Ladesäulen, die über den Standard ISO 15118-2 und das Protokoll OCPP 2.0.1 verfügen, findet der notwendige Informationsaustausch ohne manuellen Eingriff statt.
Foto: elexon
Das neue Open Charge Point Protocol (OCPP) 2.0.1 sowie der internationale Standard ISO 15118-2 „Straßenfahrzeuge – Kommunikationsschnittstelle zwischen Fahrzeug und Ladestation“ sind wesentliche Bausteine für den Aus- beziehungsweise Aufbau einer nachhaltigen Ladeinfrastruktur. Die Kommunikation zwischen Ladesäulen und Ladeinfrastruktur wird enorm vereinfacht, die Steuerung des Ladevorgangs wird präziser, benutzerunabhängige Abrechnungen sind problemlos möglich, Plug&Charge und Vehicle-to-Grid (V2G) als neue, intelligente Energiemanagementfunktionen werden Realität. Um diese Vorteile nutzen zu können, müssen Unternehmen, Fuhrparks und Mobilitätsmanagement auf zukunftsfähige Ladelösungen setzen. Ladelösungen, die diese Standards erfüllen. Wer zukünftig seine Ladeinfrastruktur aus- oder aufbaut, sollte eine Lösung installieren, die mit diesen beiden Begriffen aufwartet.
Die neue ISO 15118-2 wurde Anfang 2021 von der beauftragten Arbeitsgruppe der Internationalen Organisation für Normung, kurz ISO, und der Internationalen Elektrotechnischen Kommission, kurz IEC, vorgestellt. Sie bereitet die Bühne für die Kommunikation des E-Autos mit der Ladesäule. Funktioniert diese Kommunikation, läuft der Ladeprozess praktisch benutzerinnen- und benutzerunabhängig – parken, einstöpseln, laden, fertig. Es ist keine Ladefreigabe mittels RFID-Chip nötig. Plug&Charge in Reinform.
Bidirektionales Laden wird möglich
Die Kommunikation zwischen E-Auto und Ladesäule hat allerdings keine große Bedeutung ohne die weiterführende Kommunikation zwischen Ladesäule und angeschlossenem Backend. Diese wird über ein OCCP-Protokoll geregelt. Bereits ein Jahr vor der neuen ISO-Norm veröffentlichte die Open Charge Alliance das universelle Anwendungsprotokoll OCPP 2.0.1. Die Weiterentwicklung von OCPP 1.6 implementiert neue, effiziente Funktionen. Entwickelt wird das OCPP auf Basis einer Initiative der E-Laad-Stiftung für Ladeinfrastruktur aus den Niederlanden. Im Mittelpunkt stehen die sichere Abrechnung, umfassende Dokumentation des Ladevorgangs sowie die Vereinfachung der Geräteverwaltung, auch bei größeren Ladeparks.
Gleichzeitig bietet es einen sicheren Support für ISO 15118(-2). Gemeinsam erhöhen sie den Ladekomfort, machen Ladevorgänge schneller, sicherer, effizienter und unkomplizierter für Nutzerinnen und Nutzer sowie Anbieter. Und, sie stellen die Basis für die Weiterentwicklung des gesamten Energiemanagements bereit. Bidirektionales Laden wird möglich. Der erweiterte Ansatz von V2G realisiert die dezentrale Zwischenspeicherung von Energie.
Diese technischen Fortschritte in der E-Mobilität stellen die Entwicklungsabteilungen der Automobil- und Ladensäulenhersteller sowie die Backend-Anbieter vor neue Herausforderungen. Aus dem Blickwinkel eines Ladesäulenherstellers sind diese Protokolle entscheidend für die Nutzung ihrer Produkte. Die Roadmap der neuen Kommunikationsschnittstellen wurde von vielen bereits erwartet. „Mehr Komfort auf beiden Seiten der Ladesäule, bei Fahrzeughalterinnen und -haltern und beim Anbieter, werden von unserer Kundschaft und vom Markt gewünscht. Vor allem die Reduzierung des administrativen Aufwands auf Seiten des Flotten- und Fuhrparkmanagements steht für uns als Hersteller individueller Ladelösungen im Mittelpunkt. Der Anforderungskatalog wächst stetig. Die Entwicklungsphase unseres Controllers der dritten Generation startete deshalb bereits weit vor der Bekanntgabe der neuen Protokolle. Wir zählen zu den ersten, die ISO 15118-2- und OCPP 2.0.1-kompatible Ladesäulen bieten“, erklärt Stefan Böken, Head of Operations der elexon GmbH.
Produktentwicklung parallel zur Marktentwicklung
Die Entwicklung des neuen Controllers für AC-Ladesäulen aus dem Hause elexon dauerte fast zwei Jahre und wurde in verschiedenen Feldtests und Pilotprojekten mit E-Autos unterschiedlicher Hersteller erfolgreich evaluiert. Der erste Controller war noch ein Standalone-Controller. Er regelt den Ladeprozess auf einfachste Weise. Das Fahrzeug entschied selbst, wie viel Strom es beziehen wollte, die einzige Restriktion war die Leistung der Ladesäule – 3, 7, 11 oder 22 kW. Der Controller der zweiten Generation kommuniziert bereits mit dem Backend auf Basis des OCPP-1.6-Protokolls. Der Ladevorgang wird protokolliert und freigegeben. Auch das Lastmanagement und die (eichrechtskonforme) Abrechnung können gesteuert werden. Eine Kommunikation mit dem Auto findet allerdings nicht statt. Der neue Controller erweitert das Funktionsportfolio um die Identifizierung und verschlüsselte Kommunikation mit dem Fahrzeug selbst. Damit können zusätzliche Daten ausgetauscht, und die neuen Anwendungen generiert werden. Der Controller der dritten Generation wird als Master, zusätzlich zum Controller 2 eingebaut und erlaubt ein Upgrade bestehender Ladeinfrastruktur. Der Controller 2 fungiert als Slave und wickelt selbstständig alle grundlegenden Ladefunktionen mittels Prozessoren ab. Eine bewährte, jahrelang erprobte Technik, die alle Sicherheitsanforderungen erfüllt.

Der neue Controller unterstützt OCPP 2.0.1 und ISO 15118-2 für bidirektionale und sichere Kommunikation zwischen Ladestation, Fahrzeug und Backend.
Foto: elexon
Der neue Controller verfügt über zwei „Power Line Communication“ (PLC)-Chips sowie ein linuxbasiertes Betriebssystem. Er organisiert die neuen Funktionen wie das Speichern von Daten, Laden von Webseiten für die Konfiguration oder Prozesse zur Benutzerinnen- und Benutzerverwaltung. Der neue Controller bietet Ethernet-Anschluss, WiFi, Bluetooth, Lastmanagement über Modbus/TCP sowie OCPP 1.6j und 2.0.1, Autocharge zur automatischen ET-Erkennung, ISO 15118-2 für Plug&Charge sowie ein optional integriertes LTE-Cat.-4-Modem.
Damit zählt elexon zu den wenigen Anbietern, die bereits zeitnah Ladesäulen inklusive neuer Controller-Technologie anbieten.
Ladeprozesse bis ins kleinste Detail automatisiert
Oft wird diese „Zukunft“ des Ladens mit dem Laden eines Smartphones verglichen; und das zurecht. Sind beide Protokolle implementiert – und zwar in allen drei Prozesselementen, dem E-Auto, der Ladesäule und dem Backend – ist der Ladevorgang tatsächlich ein Kinderspiel. Jeder notwendige Informationsaustausch findet ohne manuellen Eingriff statt: Authentifizierung, Information, Abrechnung, Dokumentation sowie Last- und Energiemanagement. All diese Prozesse laufen im Hintergrund, abgesichert dank TLS-Verschlüsselung. Nach dem Einstöpseln können die Benutzerinnen und Benutzer gehen, den Rest erledigt die Technik.
Die mit ISO 15118-2 und OCPP 2.0.1 kompatible Ladesäule verbindet sich mit dem Auto, identifiziert das Fahrzeug mittels einem, im Fahrzeug digital hinterlegten zertifizierten Vertrag des jeweiligen Mobilitätsanbieters und startet den Ladevorgang automatisch. Die Vertragsdaten im Auto enthalten Halterinnen- oder Halter- und Tarifinformationen. Unabhängig davon teilt das E-Auto technische Parameter wie etwa den Ladezustand mit. In einer Unternehmensflotte sind das beispielsweise Informationen dazu, welche Mitarbeitenden Fahrzeughalterin oder -halter sind, zu welchem Tarif abgerechnet werden soll, wie der Zustand der Batterie und wie hoch die Ladeleistung für einen optimalen Ladevorgang ist.
Das angeschlossene Energiemanagementsystem organisiert die optimale Energiezufuhr unter Betrachtung des aktuellen Ist-Zustandes des Stromnetzes. So kann auch Strom aus einer angegliederten Photovoltaik (PV)-Anlage genutzt werden. Die Funktion Smart Charging optimiert die Ladestrategie in Verbindung mit dem Energiemanagement zusätzlich. Die Verbindung zwischen Ladesäule und Backend garantiert zudem die sichere Datenübermittlung zur Abrechnung und umfassende Dokumentation des Ladevorgangs sowie vereinfachte Fehlerbehebung.
Zeit, Geld und Nerven sparen
Interessant sind die neuen AC-Ladelösungen mit dem Controller der dritten Generation im ersten Schritt für Flottenkunden und den professionellen Einsatz in Ladeparks. Vor allem im Logistikbereich verändern sich die unternehmerischen Anforderungen und verlangen nach weiteren Prozessoptimierungen im Ladealltag. Optimierungen, die teils über die neuen Funktionalitäten erzielt werden. Neben dem gestiegenen Ladekomfort für die Fahrzeughalterinnen und -halter profitieren auch das Unternehmen und der Ladeparkbetreiber. Es werden mehr und detailliertere Informationen zum gesamten Ladeprozess generiert, während der Administrationsaufwand sinkt. Denn sicheres Laden ohne RFID-Karte reduziert die Verwaltungsarbeit enorm.

Interessant sind die neuen AC-Ladelösungen mit dem Controller der dritten Generation im ersten Schritt für Flottenkunden und den professionellen Einsatz in Ladeparks.
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Ein physikalischer Verifizierungsschlüssel wie der RFID-Chip birgt Kosten und Risiken. Zum einen muss er erstmalig bestellt, digital zugeordnet, ausgegeben und dokumentiert werden. Zum anderen kann jede zusätzliche Hardware vergessen werden, verloren oder kaputt gehen oder sogar an andere verliehen werden. Unberechenbare Faktoren die beim Ladesäulenanbieter immer wieder zu hohen Kosten für die (Neu-)Beschaffung, Verteilung, Administration und Synchronisierung führen. Jedes Mal, wenn Mitarbeitende ohne RFID-Chip laden wollen, muss ein Verwaltungsmitarbeiter oder eine -mitarbeiterin oder ein Servicedienstleister des Herstellers die eindeutige Identifizierung des Fahrzeuges manuell organisieren.
Ähnlich aufwendig ist die Korrektur von Abrechnungen aufgrund falscher Kartennutzung. Die Konsequenz: unplanbarer Mehraufwand an Zeit und Geld. Probleme, die dank der neuen Protokolle gelöst werden. Auch, wenn die Verwaltung dieser Chips während der Planungsphase von Ladeinfrastruktur oft stiefmütterlich behandelt wird, bindet der Aufwand langfristig Personal. Entfällt dieser gesamte Prozess, führt das zu finanziellen und zeitlichen Entlastungen und mehr Ruhe in der Verwaltung.
Auch das Stromnetz profitiert
Das finale Ziel der neuen Protokolle ist es, E-Autos in die Energiestruktur eines Ladeparks oder Unternehmens zu integrieren. Kurz gesagt: Bidirektionales Laden oder V2G soll flächendeckend möglich werden. E-Fahrzeuge werden nicht nur aufgeladen, sondern ihr Batteriestrom wird in das interne Energiesystem oder das öffentliche Netz eingespeist. E-Autos als dezentraler Zwischenspeicher.
Ein Beispiel: Ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin steckt sein beziehungsweise ihr E-Fahrzeug an der Ladesäule an, es identifiziert sich automatisch und bietet zwei Optionen, entweder wird die leere Batterie mit Strom geladen oder die Energie der vollen Batterie wird entladen. Das Unternehmen kauft die Energie der Batterie, bis auf eine vorher definierte Mindestmenge, ab und nutzt sie bei Bedarf selbst. Andersherum funktioniert dieser Ansatz ebenso. Das Unternehmen speichert selbst erzeugte Energie, die gerade im Überschuss vorhanden ist, in der Autobatterie für kurze Zeit zwischen. Dank dieser Funktionen können E-Fahrzeug zur Lastspitzenreduktion oder Netzstabilisierung beitragen.
Ein Szenario, das bereits in Pilotprojekten erfolgreich umgesetzt wurde. V2G gilt als wesentlicher Baustein, um zukünftig einen größeren Anteil erneuerbarer Energien in das Stromnetz zu integrieren. „Ich halte es für realistisch, dass wir in weniger als fünf Jahren zumindest in einigen Bereichen bidirektionales Laden erleben. Manche Hersteller wie Kia, Hyundai oder Nissan stellen bereits bidirektionales Laden zur Verfügung. Unternehmen steht in Form ihrer Mitarbeitendenfahrzeuge ein riesiger Energiespeicher zur Verfügung, den gilt es in Zukunft sinnvoll zu nutzen“, erläutert Böken. Über die Sinnhaftigkeit dieses Energiemanagements entscheidet letztlich das Verhalten der Nutzerinnen und Nutzer. Jede Flotte und jedes Unternehmen hat unterschiedliche Nutzerinnen- und Nutzerprofile, diese müssen, wie bei einer guten Ladeinfrastrukturplanung im Detail betrachtet werden. Das ist wiederum die Aufgabe des Anbieters.
Zukunft des Ladens beginnt mit dem Kauf von heute
Auch, wenn bisher nur wenige Fahrzeughersteller ein Update zum neuen Kommunikationsprotokoll für ihre Fahrzeuge anbieten, wird dieser Standard in wenigen Jahren überall zu finden sein. Wer jetzt einen Ladepark plant oder neue Ladesäulen im gewerblichen oder halb-öffentlichen Raum installiert, ohne ISO 15118-2- und OCPP 2.0.1-kompatible Software, der hat eine neue und gleichzeitig veraltete Infrastruktur geschaffen. Eine zukunftsfähige, intelligente Ladelösung ist gleichbedeutend mit Plug&Charge, V2G und Co. Egal, ob es um erhöhte Nutzerinnen- und Nutzerfreundlichkeit, verringerten Verwaltungsaufwand oder effizienteres Energiemanagement geht, Ladesäulen mit ISO 15118-2- und OCPP 2.0.1-Backend-Anbindung sichern eine komfortable, langfristige Nutzung.
Wenn es um das Thema Kosten geht, steht vor allem für Flotten ein Highlight der neuen Produktpaletten im Fokus: elexons DC-Doppellader. Eine besondere technische Lösung, die mit einem Controller zwei Ladepunkte bedienen kann. Zwei Autos können also gleichzeitig laden, gesteuert von nur einem Controller 3. Neben dem technischen Vorteil ist für die Kundschaft der Kostenvorteil bei dieser Doppelladestation besonders interessant. Zudem reduziert sich der Installations- und Wartungsaufwand. Die neuen Ladesäulen sind ein perfektes Beispiel für Synergien innovativer Soft- und Hardwareentwicklung mit realem Mehrwert im Alltag.
Marcus Scholz, Geschäftsführer der elexon GmbH