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Versorgungssicherheit 21.10.2021, 09:52 Uhr

Windgeneratoren sollen das Netz stabilisieren

Kohle- und Kernkraftwerke sorgen automatisch dafür, dass kleinere Stromschwankungen im Netz ausgeglichen werden. Das müssen die erneuerbaren Energien künftig selbst schaffen. Forschende der Technischen Universität Dresden und die Industrie arbeiten daran.

Windgeneratoren auf Hügel

Die nächste Generation von Stromumrichtern für Windenergieanlagen soll entwickelt werden.

Foto: panthermedia.net/meinzahn

Die Ampel-Koalition will, wenn ihr in Berlin die Bildung einer Bundesregierung gelingt, bereits 2030 aus der Kohleverstromung aussteigen, acht Jahre früher als bisher geplant und ebenfalls acht Jahre nach dem Ausstieg aus der Kernenergie. Damit fallen für die Netzstabilität extrem wichtige Regulatoren weg: Die gewaltigen rotierenden Massen der Turbogeneratoren, die den Strom erzeugen und das Netz stabilisieren, sodass katastrophale Netzausfälle vermieden werden.

Stromumrichter mit integrierter Batterie

Forschende an der TU Dresden und die Industrieunternehmen Semikron, Hersteller von Bauelementen der Leistungselektronik in Nürnberg, sowie Freqcon, Produzent elektronischer Geräte in Rethem an der Aller, gehören zu den wenigen in Deutschland, die dieses Problem nicht nur erkannt haben, sondern auch darüber reden. Sie bündeln ihre Expertise, um die nächste Generation von Stromumrichtern für Windenergieanlagen zu entwickeln. Ziel des Forschungsprojekts „NextWind“ ist der Bau von Stromrichtern mit integrierten Batterien. Diese nehmen Strom auf, wenn zu viel produziert wird, und speisen ihn in Mangelzeiten ins Netz ein. Ansonsten wird die erzeugte Energie direkt ins Netz geleitet.

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Wie der Windstrom ins Netz gelangt

Damit das problemlos möglich ist muss der Windstrom an Frequenz, Phasenlage und Spannung des Netzes angepasst werden. Generatoren wandeln die mechanische Energie des Rotors in elektrische Energie um. Mühlen mit fester Drehzahl sind mit Asynchrongeneratoren ausgestattet. Sie können direkt ins Netz einspeisen, haben allerdings einen schlechten Wirkungsgrad, weil sie selten im optimalen Bereich arbeiten. Heute wird die Mehrheit der Windenergieanlagen mit variabler Rotordrehzahl betrieben. Dann ist ein Umrichter nötig, da der Generator variable Frequenzen und Spannungen liefert, je nach Windstärke. Der volatile Strom, den der Windgenerator erzeugt, wird zunächst in Gleichstrom umgewandelt. In einem nachgeschalteten Wechselrichter wird daraus Drehstrom, der eine Frequenz von 50 Hz und Netzspannung hat. Für die beiden Schritte sind mächtige Dioden, die zu den Leistungshalbleitern zählen, sowie Kondensatoren und Widerstände nötig.

Erneuerbare Energien wirken stabilisierend auf das Verbundnetz

Rotierende Massen gleichen Schwankungen aus

Die sogenannten Netzdienstleistungen müssen nach dem Wegfall der Wärmekraftwerke die erneuerbaren Energien selbst erbringen. Deren rotierende Massen gleichen Netzschwankungen aufgrund ihrer Trägheit selbstständig aus, allerdings nur für kurze Zeit. Sie laufen mal ein bisschen schneller, wenn es an Strom im Netz fehlt, mal ein bisschen langsamer, wenn zu viel erzeugt wird. Gaskraftwerke machen das auch, doch hier sind die Massen weitaus geringer, sodass die Wirkung begrenzt ist.
Durch die Integration und Nutzung von Energiespeichern in Windenergieanlagen sollen die Netzdienstleistungen künftig zuverlässig und kosteneffizient durch Windenergieanlagen erbracht werden. „Dafür muss auch die Arbeitsweise des Umrichters von einem netzfolgenden zu einem netzbildenden Betrieb weiterentwickelt werden“, sagt Steffen Bernet, Professor für Leistungselektronik an der TU Dresden. Der Umrichter muss sich gewissermaßen vom reinen Stromwandler zu einem Gerät mausern, das von sich aus aktiv wird und das Netz im Bedarfsfall blitzschnell stabilisiert.

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Förderung vom Wirtschaftsministerium

Darüber hinaus muss das neue System trotz der starken Belastungsschwankungen durch die häufig wechselnden Windverhältnisse über viele Jahre störungsfrei arbeiten. „Im Projekt NextWind werden Lösungen entwickelt, die dabei helfen sollen, die angestrebten Netzdienstleistungen kostengünstig in einem weiten Betriebsbereich bei gleichzeitiger Robustheit gegenüber Fehlern sicherzustellen“, so Bernet. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie unterstützt die Entwicklung im Rahmen des 7. Energieforschungsprogramm „Innovationen für die Energiewende“ mit insgesamt 1,8 Mio. €.

Von Wolfgang Kempkens