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Sichere Energieversorgung 20.05.2021, 08:39 Uhr

Strom aus Schwefel mit solarer Hilfe

In einem europäischen Projekt sind die Komponenten für ein neuartiges Kraftwerk entwickelt worden, das weder Schadstoffe noch Kohlendioxid emittiert. Schwefel dient praktisch als Speicher für Solarenergie.

Blick aus der Luft auf die 2 153 beweglichen Spiegel des Solarturmkraftwerks in Jülich. Es ist eine entscheidende Komponente, um Sonnenenergie in Form von Schwefel zu speichern. Bild: DLR

Blick aus der Luft auf die 2 153 beweglichen Spiegel des Solarturmkraftwerks in Jülich. Es ist eine entscheidende Komponente, um Sonnenenergie in Form von Schwefel zu speichern. Bild: DLR

Wie lässt sich, wenn es keine Kern- und Braunkohlekraftwerke mehr gibt, die Versorgungssicherheit mit Strom gewährleisten? Unter anderem mit Solarenergie, sagen europäische Forschende, obwohl sie nicht immer zur Verfügung steht. In Jülich haben sie die Komponenten für ein Schwefelkraftwerk getestet, das 6 000 h/a Strom erzeugen könnte, und zwar rund um die Uhr. Emissionen gibt es nicht. Es handelt sich um einen auf Schwefel basierenden perfekten Kreislauf. Bei der Verbrennung des gelben Pulvers entsteht Schwefeldioxid, das in einem sogenannten Disproportionierungsreaktor in Schwefel und Schwefelsäure aufgespalten wird. Die Schwefelsäure schließlich wird mit solarer Wärme in schweflige Säure umgewandelt, die wiederum im Disproportionierungsreaktor landet, so das Prinzip von Pegasus (Renewable Power Generation by Solar Particle Receiver Driven Sulphur Storage Cycle), einem Projekt unter Führung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), das bis zum 30. Juni läuft.

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Schwefel im Überfluss vorhanden

Schwefel fällt in einer Menge von jährlich 60 Mio. t an, unter anderem in Raffinerien, die das gelbe Pulver aus den Kraftstoffen entfernen. Es ist so viel, dass die chemische Industrie, die Schwefel zur massenhaften Herstellung von Schwefelsäure benötigt, längst nicht alles verarbeiten kann. Es bleibt genug übrig, um Strom zu erzeugen. Und da es sich um einen Kreislaufprozess handelt ist die Versorgung auch dann noch gesichert, wenn die Raffinerien keine fossilen Rohstoffe mehr verarbeiten.

Verbrennung bei 1 400 Grad Celsius

Für die Verbrennungsanlage war das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) zuständig. Die 1 400 °C heißen Abgase können einen Turbogenerator antreiben und anschließend noch Dampf erzeugen. Im weiteren Verlauf des Prozesses entsteht Schwefelsäure, die mit solarer Wärme in Schwefeldioxid umgewandelt wird – der Kreislauf ist vollendet.

Mehr als 2 000 Heliostate konzentrieren die Solarenergie

Die Anlage, die die benötigte Wärme liefert, steht in Jülich. Die beiden Solartürme sind von mehr als 2 000 Spiegeln – beweglichen Heliostaten – umzingelt, die die Energie der Sonne auf einen der Receiver konzentrieren, die sich in den Türmen befinden. Für das Schwefelkraftwerk mussten die Forschenden ein spezielles Gerät entwickeln. Es ähnelt der Trommel einer Waschmaschine, rotiert allerdings senkrecht. Die darin enthaltenen Keramikteilchen, die das polnische Unternehmen Baltic Ceramics Spolka Akcyjna entwickelt hat, schmiegen sich an die Wand. Diese wird von den konzentrierten Wärmestrahlen der Sonne auf bis zu 900 °C erhitzt.

Kraftwerk könnte im nächsten Schritt folgen

Der Receiver ist in einer der drei Experimentierkammern im zuletzt errichteten Turm installiert. Die Trommel ist so gebaut, dass ständig heiße Keramikteilchen herausfallen. Sie landen in einem Reaktor, in den Schwefelsäure eingedüst wird. Die Hitze lässt Wasser verdampfen. Da die Oberfläche der Teilchen einen Katalysator enthält wird reiner Schwefel abgetrennt.

Schema des solaren Schwefelkreisprozesses. Bild: DLR

Nachdem die einzelnen Komponenten erfolgreich getestet worden sind könnte im nächsten Schritt ein Kraftwerk gebaut werden, das kontinuierlich Strom erzeugt. Wenn die Sonne scheint wird außer Strom Schwefel produziert, der in einer überdachten Halle problemlos gelagert werden kann. Begibt sich die Sonne wegen Wolken und Tageszeit zur Ruhe wird der gespeicherte Schwefel verfeuert und der Schwefelsäuretank aufgefüllt. Geeignet ist ein solches Kraftwerk für sonnenreiche Standorte.

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4,7 Millionen Euro von der EU

Das Projekt wurde von der Europäischen Union mit 4,7 Mio. € gefördert. Beteiligt sind außer dem DLR, dem KIT und Baltic Ceramics, das mittlerweile aus dem Konsortium ausgeschieden ist, das griechische Forschungszentrum Certh sowie die Industriepartner Brightsource Industries aus Israel und Nextchem Spa aus Italien.

Von Wolfgang Kempkens