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Energieeffizienz & erneuerbare Energien 17.02.2023, 14:30 Uhr

Nachhaltige Energie für Oberhof

Die Wintersportstätten im thüringischen Oberhof brauchen jede Menge Energie. Mit Abwärmenutzung, Blockheizkraftwerken, Photovoltaik und Energiespeichern setzt die Wintersport-Hochburg auf eine möglichst nachhaltige Energiezukunft.

Mit einem nachhaltigen Energiekonzept bereitet sich die Wintersport-Hochburg Oberhof im Thüringer Wald auf die Zukunft vor. Im Bild die Rennrodelbahn (Eisarena). Foto: Zweckverband Thüringer Wintersportzentrum

Mit einem nachhaltigen Energiekonzept bereitet sich die Wintersport-Hochburg Oberhof im Thüringer Wald auf die Zukunft vor. Im Bild die Rennrodelbahn (Eisarena).

Foto: Zweckverband Thüringer Wintersportzentrum

Mehr als 150 000 Sportbegeisterte haben im Januar und Februar 2023 die Weltmeisterschaften im Rennrodeln und Biathlon in der Region Oberhof im Thüringer Wald besucht. Doch wie sieht es mit der Energie-, Klima- und Umweltbilanz aus?

An den Sportstätten in Oberhof werden teilweise ganzjährig die Lotto Thüringen Skisporthalle sowie die Eisarena Oberhof gekühlt. Schnee wird teilweise künstlich produziert und die Flutlicht-, Beschneiungs- und Kühlanlagen benötigen jede Menge Energie. Dazu kommt der Neubau von Hotels und sonstiger Infrastruktur sowie die Anfahrt der Besucherinnen und Besucher. Der Klimawandel, Ressourcenknappheit und die aktuelle Energiekrise zwingen die Wintersport-Hochburg in Thüringen – wie zahlreiche Standorte weltweit – zunehmend zum Umdenken. Nachhaltigkeit und Wintersport – geht das?

„Der Zweckverband Thüringer Wintersportzentrum ist diesen Herausforderungen gewachsen“, zeigt sich WM- und Oberhofbeauftragter der Landesregierung Thüringen, Hartmut Schubert, überzeugt. Er verweist darauf, dass die Trainings- und Wettkampfstätten auch im Hinblick auf Umwelt- und Energiethemen umfassend modernisiert worden seien, mit dem Ziel einer möglichst klimaneutralen Energieversorgung.

Aus Abwärme der Eisanlagen Energie erzeugen

Mit Rennrodelbahn (Eisarena) sowie der Skisport-Halle existieren zwei Sportstätten, bei deren Versorgung durch Kälteanlagen große Mengen an Abwärme entstehen. „Bisher wurden Rückkühlanlagen betrieben, deren Betrieb Abwärme erzeugt. Dabei handelt es sich um wertvolle Energie, die nicht länger ungenutzt in die Umgebung verpuffen darf. Stattdessen wollen wir die Abwärme nutzen, indem wir sie in ein sogenanntes Kaltnetz einspeisen und dort speichern“, erklärt Christian Krajci, Senior Teamleiter beim Beratungsunternehmen Drees & Sommer. Das Kaltnetz funktioniert dabei ähnlich wie ein Wärmenetz – nur mit einer niedrigeren Vorlauftemperatur. Anschließend wird eben diese Energie mithilfe von Wärmepumpen zur Beheizung oder Warmwasserbereitung der Sportanlagen direkt an Ort und Stelle weiterverwendet. „Im November 2022 wurden Teile der Kaltnetztrasse erfolgreich in Betrieb genommen. Dies ermöglicht nun bereits zur Weltmeisterschaft eine optimale Nutzung der unvermeidbaren Abwärme und somit auf Dauer kostenfrei zur Verfügung stehende Energie“, resümiert Krajci.

Belieferung verschiedener Verbraucher in Oberhof

„Auf dem Weg in Richtung Unabhängigkeit von externen Wärme- und Stromzulieferern, werden neben der Abwärmenutzung in einzelnen Jahresabschnitten alternative Quellen benötigt“, ergänzt Fabian Esslinger, Projektleiter bei Drees & Sommer. Derzeit steht der Neubau einer Energiezentrale an der „Tambacher Straße“ inklusive Aufbau eines Fernwärmenetzes im Fokus der Projektsteuerer. Drei Biomassekessel stellen dort unter Verwendung von regional bezogenen Holzhackschnitzeln und deren Verbrennung zusätzliche Wärme bereit. Ein Biomethan-Blockheizkraftwerk (BHKW) erzeugt außerdem sowohl Wärme als auch Strom. Künftige Verbraucher der auf unterschiedlichen Wegen generierten Energie sind bisher beispielsweise das Sportgymnasium der Stadt, die naheliegende Bundeswehr-Kaserne am Rennsteig, ein noch zu errichtendes Bio-Hotel sowie die Friedrich-Schiller Grundschule. Eine spätere Ausweitung des Fernwärmenetzes an weitere Verbraucher in Oberhof ist möglich und gewollt.

Photovoltaik, BHKW und mehr

Um neben der Wärme- auch die Stromeigenversorgung zu erhöhen, werden zudem seit Sommer 2022 knapp 2 000 Photovoltaik (PV)-Module auf sämtlichen baulich geeigneten Dächern der Wintersportanlagen installiert. Der Solarstrom wird durch ein neu aufgebautes Stromnetz an die Gebäude des Wintersportzentrums verteilt und deckt zukünftig gut 15 % des Energiebedarfs vor Ort.

Auch bei der Sanierung und dem Neubau von Hotels in Oberhof wurden konkrete Schritte für eine klimafreundliche, nachhaltige Energieversorgung gegangen. So wurde beispielweise im traditionsreichen Panorama Hotel im Zuge umfassender Neugestaltungs- und Sanierungsmaßnahmen auch das dort vor zwölf Jahren installierte BHKW generalüberholt. Nach mittlerweile über 100 000 Betriebsstunden Dauerbetrieb wurden Motor und Generator erneuert und die Steuerung des Aggregates gegen einen modernen Industrie-PC mit internetbasierter Fernüberwachung ausgetauscht. Sämtliche Modernisierungsarbeiten am BHKW wurden beim Hersteller Sokratherm beauftragt, der seit über 30 Jahren BHKW im thüringischen Nordhausen produziert.

Nachhaltige dezentrale Versorgung im Fokus

Auch beim größten Hotelneubau in Oberhof, dem „The Grand Green“ stand eine möglichst nachhaltige dezentrale Energieversorgung im Fokus. Die Techem Solutions entwickelte hierfür ein Konzept, das eine PV-Anlage, einen Batteriespeicher, zahlreiche Ladeplätze für Elektroautos und ein BHKW umfasst.

Bei letzterem fiel die Wahl ebenfalls auf Sokratherm, genauer auf deren neu entwickeltes BHKW-Kompaktmodul Typ GG 355 mit aufgeladenem 8-Zylinder-MAN-Motor. Das Modell hat eine elektrische Nennleistung von 357 kW bei 455 kW Wärmeleistung und einem Gasverbrauch von 889 kW. Wegen des geringeren Luftdrucks in 800 m Höhe wird es mit etwa 10 % niedrigerer Leistung betrieben. Der elektrische Wirkungsgrad von 40,2 % sowie 90,3 % Gesamteffizienz seien auch bei der leicht abgesenkten Leistung praktisch gleich, so Sokratherm-Prokurist Joachim Voigt, der sich im Bundesverband Kraft-Wärme-Kopplung (B.KWK) als Vorstandsmitglied engagiert.

Eine Analyse der Betriebsdaten habe ergeben, dass das BHKW in den ersten Monaten zu 89 % der Betriebszeit auf voller Leistung lief und mit 49 Betriebsstunden pro Start ein Vielfaches über dem Mindestwert von drei Betriebsstunden pro Start liege. Das zeige, dass es sorgfältig ausgelegt und hydraulisch gut in die Gesamtanlage eingebunden wurde, so Voigt.

Biogas, Biomethan und grüner Wasserstoff für BHKW

Voigt weist darauf hin, dass der von hocheffizienten BHKW erzeugte Strom insbesondere während der Heizperiode zu einem Rückgang der Stromerzeugung vor allem aus wirkungsgradschwachen, ungekoppelten Gaskraftwerken führe. Der verstärkte Einsatz von BHKW zur Eigenversorgung mit Strom und Wärme zum Beispiel in Hotels senke daher auch in der Gesamtbetrachtung den inländischen Gasverbrauch in erheblichem Maße.

Auf dem Weg zu einer klimaneutralen Energieversorgung ist der BHKW-Betrieb schon heute beispielsweise mit Biogasen oder auch mit regenerativ erzeugtem Biomethan möglich und, sobald dieser in ausreichenden Mengen verfügbar ist, auch mit grünem Wasserstoff.

Von Hans-Christoph Neidlein