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Strom- und Wärmeversorgung 02.03.2023, 15:30 Uhr

Krankenhaus setzt auf Brennstoffzellen

In Erkelenz installiert Bosch seine erste Großanlage mit einer elektrischen Leistung von 100 Kilowatt. Ab 2025 soll sie ausschließlich mit grünem Wasserstoff betrieben werden.

Strom und Wärme eines Krankenhauses in Erkelenz kommen bald aus Festoxid-Brennstoffzellen, die mit Wasserstoff betrieben werden. Foto: PantherMedia/aa-w

Strom und Wärme eines Krankenhauses in Erkelenz kommen bald aus Festoxid-Brennstoffzellen, die mit Wasserstoff betrieben werden.

Foto: PantherMedia/aa-w

Der Erdgasmotor im Hermann-Josef-Krankenhaus Erkelenz nahe Mönchengladbach, der das 409-Betten-Haus mit Strom und Wärme versorgt, hat bald ausgedient. Das Blockheizkraftwerk (BHKW) wird vom Innovativsten abgelöst, was Industrie und Technik zu bieten haben. Der Stuttgarter Elektrogigant Bosch liefert zehn Festoxid-Brennstoffzellen (Solid Oxide Fuel Cell, SOFC) mit einer Leistung von jeweils 10 kW, die bei einer Temperatur von 500 bis 700 °C arbeiten. Sie produzieren Strom und zusätzliche Wärme, die zum Beheizen der Gebäude und zur Warmwasserbereitung genutzt werden. Es ist die erste Vorserien-Anlage dieser Größenordnung, die Bosch für den Regelbetrieb installiert.

CO2-Emissionen sinken um 40 Prozent

„Im Klinikbetrieb werden konstant mindestens 92 kW Strom und 220 kW Wärme verbraucht“, so Jann Habbinga, Verwaltungsdirektor der Klinik. „Durch den Betrieb rund um die Uhr haben wir eine konstante Abnahmemenge, die wichtig für das Projekt ist.“

Wenn die Anlage Mitte dieses Jahres in Betrieb geht sinken die CO2-Emissionen gleich um 40 % oder 150 t/a, obwohl aus logistischen Gründen noch kein grüner Wasserstoff eingesetzt werden kann. Vorerst muss Erdgas in die Bresche springen. Da die SOFC jedoch einen elektrischen Wirkungsgrad von 60 % haben und der Gasmotor nur auf 36 % kommt, wird das Klima von Anfang an entlastet. Der Gesamtwirkungsgrad des Systems wird bei 85 % liegen.

Wichtiger Meilenstein

„Das Projekt ist ein wichtiger Meilenstein, weil wir im Rheinischen Braunkohlerevier mit unseren Partnern zum ersten Mal großskalig eine Technologie demonstrieren, die weltweit eine Lösung sein kann für die klimafreundliche Energieversorgung von großen Gebäudekomplexen“, sagt Professor Peter Wasserscheid, Sprecher des in Jülich bei Aachen beheimateten Helmholtz-Clusters Wasserstoff HC-H2, der das Projekt in Erkelenz betreut.

Wasserstoff reist huckepack in organischer Flüssigkeit

Nach und nach soll dem Erdgas immer mehr Wasserstoff, der in Drucktanks angeliefert wird, zugesetzt werden, um die CO2-Emissionen weiter zu senken. 2025 kommt es dann zum Showdown. Dann werden die Brennstoffzellen mit reinem Wasserstoff versorgt, sodass die Anlage klimaneutral fährt. Statt in Drucktanks bei 600 bar oder tiefgekühlt bei – 253 °C – beides erfordert einen hohen Energieeinsatz – soll der Wasserstoff in flüssiger Form, aber drucklos und bei Normaltemperatur geliefert werden. Das gelingt mit einer Technik, die das Erlanger Unternehmen Hydrogenious LOHC Technologies entwickelt hat. Für Vorhaben in Nordrhein-Westfalen wie das Erkelenzer Projekt oder ein weiteres in Dormagen haben die Franken mit Hydrogenious LOHC NRW in Neuss eigens eine Tochter gegründet.

Gefahrloser Transport

LOHC heißt liquid-organic hydrogen carrier – flüssiger organischer Wasserstoff-Transporter – und ist das Geheimnis des Erlanger Unternehmens. Es hängt die Wasserstoffmoleküle quasi an organische Moleküle, genauer an Benzyltoluol. Die so angereicherte Flüssigkeit ist im Gegensatz zu Wasserstoff schwer entflammbar, und erst recht kann sie nicht explodieren. Damit ist der Transport in einfachen Tankwagen oder -waggons gefahrlos möglich.

Vereinigte Arabische Emirate als Lieferanten?

Am Ziel, in diesem Fall dem Erkelenzer Krankenhaus, müssen Wasserstoff und Benzyltoluol voneinander getrennt werden. Die dazu nötige Wärme auf einem Niveau von 250 bis 320 °C sollen die Brennstoffzellen liefern. Die organische Flüssigkeit wird dann dorthin transportiert, wo sie erneut mit Wasserstoff beladen werden kann, etwa zu einer Beladestation an einer der Wasserstoffpipelines an Rhein und Ruhr, die noch ausgebaut werden. Oder zu einem Hafen, um in die Vereinigten Arabischen Emirate transportiert zu werden, einem potenziellen Wasserstoffproduzenten auf der Basis von Solarstrom. Gemeinsam mit Emirates Specialized Contracting & Oilfield Services wurde dort das Joint Venture Hydrogenious LOHC Emirates gegründet mit dem Ziel, Wasserstoff in LOHC-Form zu exportieren.

Von Wolfgang Kempkens