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Emissionsreduzierung 21.04.2023, 15:30 Uhr

Kohleeinsatz verhagelt die Bilanz

Weil 2022 weniger Strom in Kern- und Erdgaskraftwerken erzeugt wurde, stiegen die CO2-Emissionen kräftig an, zum zweiten Mal innerhalb von zwei Jahren. Ein starker Anstieg bei den Erneuerbaren hellte die Bilanz allerdings auf.

Kohlekraftwerk nahe des Braunkohletagebaus Garzweiler in Nordrhein-Westfalen. Foto: PantherMedia/kruwt

Kohlekraftwerk nahe des Braunkohletagebaus Garzweiler in Nordrhein-Westfalen.

Foto: PantherMedia/kruwt

In Büros und Wohnungen war es im vergangenen Jahr deutlich kühler als in den Jahren zuvor. Die Appelle von Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, Energie zu sparen, haben gefruchtet. Trotzdem hat der Gebäudesektor das Klimaziel verfehlt. Zwar lagen die Emissionen 2022 mit 112 Mio. t um 5,3 % unter denen des Vorjahres, das ist ein Minus von 6 Mio. t. Doch es hätten nur 107,4 Mio. t sein dürfen.

Pauschale Betrachtung soll es bringen

Die Bundesregierung sieht das mit Gelassenheit. Künftig will sie die Emissionsminderungsziele nicht mehr sektorengebunden betrachten, sondern pauschal. Überschreitungen bei den Gebäuden könnten durch überplanmäßige Einsparungen in anderen Sektoren kompensiert werden.

Doch zumindest im vergangenen Jahr wäre die Rechnung bei weitem nicht aufgegangen. Beispiel Energieumwandlung, also die Produktion von Strom und Wärme. Hier stiegen die Emissionen sogar massiv an. Das Plus lag bei 10,7 Mio. t CO2 oder – 4,4 %, klagt das Umweltbundesamt (UBA) in Dessau. Zum zweiten Mal in Folge gab es in diesem Bereich einen Anstieg. Das liege am verstärkten Einsatz von Braun- und Steinkohle in Kraft- und Heizkraftwerken. Einer der Gründe: Am 21. Dezember 2021 wurden drei große Kernkraftwerke abgeschaltet, die eine Leistung von rund 4,5 GW hatten. Wären sie weiterbetrieben worden hätten sie zumindest potenziell die Emissionen von gut 5 Mio. t CO2 verhindert.

Erneuerbare verbesserten die Bilanz

Dass die Emissionen nicht noch höher waren lag an der Zunahme der Stromerzeugung in Solar- und Windkraftwerken um stolze 9 %. Vor allem die Stromerzeugung aus Photovoltaik (PV)-Anlagen stieg im Jahr 2022 mit 23 % deutlich an. „Hier machte sich sowohl der starke Zuwachs im Anlagenpark als auch die sonnige Witterung mit einem historischen Höchstwert der Globalstrahlung bemerkbar“, merkt das UBA an. Bei Dunkelflauten, also fehlender Sonne und schwächelndem Wind, konnten allerdings seltener Erdgaskraftwerke einspringen, weil dieser Energieträger eher für andere Aufgaben benötigt wurde. In die Bresche sprangen Steinkohle und Öl, die beide mehr CO2 freisetzen, bezogen auf die erzeugte Kilowattstunde.

Steigender Strombedarf

In diesem Jahr fehlt der Beitrag von drei weiteren Kernkraftwerken, die am 15. April stillgelegt wurden, voraussichtlich endgültig. Gleichzeitig nimmt der Strombedarf zu, weil die Zahl der Elektroautos ansteigt und immer mehr Wärmepumpen installiert werden. Die Wärme, die diese produzieren, stammt zu fast einem Drittel aus elektrischer Energie. Da der Ausbau der Erneuerbaren noch nicht ganz so schnell vorankommt wie geplant und sich der Strommix zumindest noch kurzfristig Richtung höhere CO2-Emissionen bewegt, ist es fraglich, ob die Einsparungen an Erdgas und Heizöl das kompensieren.

Beliebige Zuordnung

Der Sektor Verkehr wird dennoch von der Elektrifizierung profitieren, weil weniger Diesel und Benzin verbraucht werden und Elektroautos als Null-Emittenten gelten. Die Emissionen, die die Elektromobilität verursacht, werden einfach dem Energiesektor zugeschlagen. Wenn sich das Konzept der Bundesregierung durchsetzt, die die einzelnen Sektoren – Energiewirtschaft, Gebäude, Verkehr, Landwirtschaft, Abfallwirtschaft und Industrie – nicht mehr getrennt betrachten will, spielt die Zuordnung allerdings keine Rolle mehr.

Insgesamt ein leichtes Emissions-Minus

Insgesamt sanken die CO2-Emissionen in Deutschland in 2022 um 1,9 % auf 746 Mio. t, das ist ein Minus von 40,4 % gegenüber 1990. Damit sind die Zielwerte des Bundes-Klimaschutzgesetzes (KSG) in Summe eingehalten, was den Expertenrat für Klimafragen allerdings nicht glücklich macht. Nicht einmal das Minus im industriellen Sektor in Höhe von 19 Mio. t (– 10,4 %) könne fröhlich stimmen. Der Rat macht dafür nicht zuletzt Produktionseinschränkungen wegen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine verantwortlich.

Von Wolfgang Kempkens