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Energiespeicherung 04.02.2021, 15:07 Uhr

Energiewende: Flüssigluft-Batterien in England und den USA

Damit die Energiewende gelingt muss überschüssiger Ökostrom gespeichert werden, damit er auch in wind- und sonnenarmen Zeiten zur Verfügung steht. Ein britisches Unternehmen nutzt dazu die Expansionskraft von flüssiger Luft.

Um überschüssigen Ökostrom für dunkle und windlose Zeiten zu speichern sind Flüssigluft-Batterien eine vielversprechende Technik. Foto: PantherMedia/vencav

Um überschüssigen Ökostrom für dunkle und windlose Zeiten zu speichern sind Flüssigluft-Batterien eine vielversprechende Technik.

Foto: PantherMedia/vencav

Das Agorameter signalisiert oft düstere Zeiten. Die regelmäßig aktualisierte Grafik des Berliner Think Tank „Agora Energiewende“, der sich das Gelingen des Übergangs auf erneuerbare Energien auf die Fahne geschrieben hat, ist dann großflächig dunkelgrau eingefärbt. Das bedeutet, dass die konventionelle Stromerzeugung überwiegt. Am 31. Januar gegen 17 Uhr etwa lagen die Erneuerbaren bei 7,3, die konventionellen Stromerzeuger bei 49 GW. Auch wenn Sonne, Wind und Wasser im vergangenen Jahr rund die Hälfte des in Deutschland erzeugten Stroms produzierten: An schlechten Tagen, und die sind nicht gerade selten, geht nichts ohne fossile Kraftwerke und Atomstrom.

Wenn die Energiewende wirklich gelingen soll ist bedeutend mehr Wind- und Solarstrom nötig. Dieser muss, wenn er im Überfluss produziert wird, für Mangelzeiten gespeichert werden. Doch viel mehr als 10 GW kommen, wenn man alle Batterien und Pumpspeicherkraftwerke zusammenzählt, in Deutschland nicht zusammen.

Flüssige Luft in wärmeisolierten Stahltanks

Es müssten Batterien in großem Stil gebaut werden. Ob dafür aber genügend Rohstoffe vorhanden sind ist fraglich. Deshalb setzt das britische Unternehmen Highview Power auf Luft als Speichermaterial für elektrischen Strom. Sie wird mit Überschussstrom extrem stark komprimiert und gleichzeitig gekühlt, bis sie bei – 196 °C flüssig wird. Die dabei entstehende Kompressionswärme wird gespeichert und zum späteren Erwärmen der flüssigen Luft genutzt. In sogenannten Kryotanks, die extrem gut wärmegedämmt sind, lässt sich diese Luft bei Normaldruck viele Tage lang lagern.

Highview Power kann bereits auf zwei Versuchsanlagen verweisen. Die erste, die mittlerweile Forschern der University of Birmingham als Testanlage dient, kann bescheidene 2,5 MWh speichern. Die zweite nahe Manchester kommt schon auf 15 MWh, und in Carrington nahe Manchester entsteht bis 2022 eine Großanlage mit einer Leistung von 50 MW, die 250 MWh speichern kann. Eine weitere Flüssigluftbatterie gleicher Größe wird im US-Bundesstaat Vermont errichtet. Sie werden zu den weltweit größten Speichern für elektrische Energie gehören.

Die Kryoanlagen werden angefahren, wenn ins Netz zu wenig Strom eingespeist wird, nachts beispielsweise, wenn Solaranlagen Pause haben und zu wenig Windenergie erzeugt wird. Dann expandiert die flüssige Luft auf das 700-Fache und entwickelt gewaltige Kräfte, die in einem Turbogenerator in elektrische Energie umgewandelt werden.

Für Colin Roy, den Vorsitzenden des Unternehmens, ist die kryogene Speicherung von Strom die kostengünstigste Technologie des Energiespeicherns, abgesehen von Pumpspeicherkraftwerken. Das sieht der deutsche Gasespezialist Linde anders. Er hat ebenfalls einen Flüssigluftspeicher entwickelt, verfolgt die Technik aber nicht weiter.

Allerweltsmaterialien statt seltener Werkstoffe

Roy kann auch mit unbestrittenen Vorteilen punkten. Anders als bei Batterien, die relativ seltene, teilweise auch giftige Rohstoffe benötigen, sind für die Flüssigluft-Batterie nur Allerweltsmaterialien wie Stahl und Dämmmaterial nötig. Außerdem sind alle Techniken, vor allem das Verflüssigen der Luft, längst erprobt, insbesondere zum Verflüssigen von Erdgas. Die Lebensdauer der ungewöhnlichen Batterie soll bei 40 Jahren liegen, das ist viermal länger als die eines Lithium-Ionen-Akkus.

Luft als Speichermaterial für elektrische Energie wird seit Jahren genutzt, in Deutschland etwa im Kraftwerk Huntorf in Niedersachsen. Dort wird Luft in eine unterirdische Kaverne gepresst, wenn zu viel Strom ins Netz eingespeist wird. Bei Strommangel strömt sie aus und treibt einen Turbogenerator an.

Von Wolfgang Kempkens