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Großbatteriespeicher 25.04.2023, 14:30 Uhr

„Deutschland steckt noch in den Kinderschuhen“

Große Batteriespeicher sind eine wichtige Stütze der Energiewende und sind immer mehr im Kommen. Doch es gibt noch etliche regulatorische Hürden, sagt Florian Antwerpen, Geschäftsführer von Kyon Energy, im Interview.

Großbatteriespeicher in Iphofen (Landkreis Kitzingen/Bayern) mit einer Speicherleistung von 20,7 MW und einer Speicherbruttokapazität von 24 MWh. Foto: Kyon Energy

Großbatteriespeicher in Iphofen (Landkreis Kitzingen/Bayern) mit einer Speicherleistung von 20,7 MW und einer Speicherbruttokapazität von 24 MWh.

Foto: Kyon Energy

Herr Antwerpen, welche Rolle können große Batteriespeicher für die Energiewende in Deutschland spielen?

Batteriegroßspeicher sind unverzichtbar für die Energiewende in Deutschland. Der Ausbau von erneuerbaren Energien hat zur Folge, dass die Stromversorgung volatiler wird. Das führt wiederum zu einer steigenden Asynchronität in der Nachfrage und Erzeugung von Energie. Schwankungen auf den Strommärkten, auch Überlastungen der Netze sind die Folge. Batteriegroßspeicher wirken dem entgegen: Sie gleichen Volatilitäten aus, speichern überschüssigen Strom und speisen ihn zu einem späteren Zeitpunkt bedarfsgerecht ein. Sie reduzieren Engpässe und starke Preisschwankungen und verhindern darüber hinaus, dass erneuerbare Energien abgeregelt werden – ganz im Gegenteil, sie können dafür sorgen, dass mehr Photovoltaik (PV)- und Windkraftanlagen in die ganzheitliche Stromversorgung integriert werden und bringen Sicherheit sowie Stabilität in eine kritische Infrastruktur. Damit leisten Batteriegroßspeicher einen entscheidenden Beitrag für eine gelungene Energiewende in Deutschland.

Inwieweit wird dieses Potenzial bisher schon ausgeschöpft? Wieviel Kapazität an großen Batteriespeichern ist derzeit in Deutschland installiert?

Der Markt für Batteriegroßspeicher in Deutschland ist sehr dynamisch und wir sehen ein starkes Wachstum. Jedoch ist das Potenzial noch längst nicht ausgeschöpft. Das liegt unter anderem daran, dass in der Vergangenheit Batteriegroßspeichern zu wenig Beachtung geschenkt worden ist. Vielmehr lag der Fokus auf dem Ausbau von erneuerbaren Energien. Wie die gewonnene volatile Energie gespeichert werden kann und sollte, wurde nicht betrachtet. Umso wichtiger ist es, dass das Thema der Speicherung immer mehr an Bedeutung gewinnt – nicht zuletzt aufgrund der aktuellen Energiekrise.

Derzeit ist eine Speicherleistung von etwa 1,1 GW in Deutschland installiert. Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE prognostiziert jedoch einen Speicherbedarf in Höhe von 104 GWh im Jahr 2030, 2045 sogar 180 GWh und geht davon aus, dass der Großteil hiervon (etwa 45 %) von Batteriegroßspeichern bereitgestellt werden kann. Das zeigt deutlich, Deutschland steckt noch in den Kinderschuhen und das dringende Potenzial ist da, schneller voranzukommen.

Florian Antwerpen, Geschäftsführer und Co-Founder von Kyon Energy.

Foto: Kyon Energy

Wo gibt es noch Hürden für den Einsatz netzstabilisierender Batteriegroßspeicher?

Der Batteriegroßspeichermarkt in Deutschland steht vor einigen regulatorischen Herausforderungen. Beispielsweise wird für den Bau von Anlagen ein sogenannter Baukostenzuschuss (BKZ) erhoben – eine enorme Summe, die viele Bauvorhaben in Frage stellt. Dabei ist die Erhebung nicht gerechtfertigt. Batteriegroßspeicher werden in Absprache mit den Netzbetreibern nur an leistungsfähigen Netzknotenpunkten errichtet. Sie entlasten die Netze und belasten sie nicht zusätzlich. Mit § 118 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) ist zwar eine Ausnahmeregelung geschaffen, diese bietet aber noch zu viel Interpretationsfreiraum, weshalb der BKZ immer noch erhoben wird.

Zum anderen ist auch der marktgestützte Redispatch eine Hürde. Batteriegroßspeicher werden hier noch nicht sinnvoll einbezogen. Obwohl deutsche Netzbetreiber die technischen Möglichkeiten der Speicher anerkennen, nutzen sie die dadurch gewonnene Flexibilität nicht. Sie verzichten aufgrund von Unsicherheiten bei der Redispatch-Kostenerfassung und prozessualen Herausforderungen auf den Einsatz von Speicherressourcen. Darüber hinaus berücksichtigt die Regulatorik die Fähigkeit von Speichern nicht ausreichend, netzdienliche Versandprofile bereitzustellen. Batteriespeicher werden oft als zusätzliche Belastung der Netze gesehen und werden dadurch immer noch nicht an den sinnvollsten Orten zur Engpassvermeidung errichtet.

Wie sieht es mit der Wirtschaftlichkeit aus?

Batteriegroßspeicher können eindeutig wirtschaftlich betrieben werden. Bei Kyon Energy setzen wir auf eine Multi-Use-Strategie. Das bedeutet, dass die Speicher durch unterschiedliche Betriebsmodi – die auch parallel gefahren werden können – eine schnelle Reaktion auf sich ändernde Marktbedingungen und -anforderungen ermöglichen. Diese hohe Flexibilität sorgt dafür, dass Batteriegroßspeicher stets effizient genutzt werden können.

Wie bewerten Sie die Nutzung von Second-Life-Batterien von E-Autos für Batteriegroßspeicher? Ist dies ein wichtiger Trend?

Der Bau von großen stationären Batteriespeicheranlagen mit Second-Life-Batterien ist aktuell leider nicht attraktiv, da die Gesamtkosten höher sind als bei neuen Batterien und die Wirkungsgrade deutlich schlechter. Batteriespeicherprojekte müssen als wichtige Energieinfrastruktur so kosteneffizient wie möglich realisiert werden, damit die Energiepreise langfristig niedrig bleiben.

Zum einen sind die Investitionskosten bei Second-Life-Batterien höher, als man erwarten würde: Die Batterien müssen aus Fahrzeugen ausgebaut und anschließend getestet werden. Für eine sinnvolle Verschaltung von gealterten Batterien ist es wichtig, den State of Health (SoH) exakt zu bestimmen. Werden die Batterien anschließend zu neuen Racks zusammengeschlossen, ist zusätzlicher Installationsaufwand notwendig: Es müssen passende Einhausungen gefunden werden, oft ist die Software des Batteriemanagements nicht öffentlich zugänglich und das Kühlsystem der Batterien ist nicht für den stationären Einsatz konzipiert. Diese Faktoren schmelzen einen Großteil der Kostenersparnis beim Kauf von Second-Life-Batterien dahin.

Zum anderen sind die Betriebskosten bei Second-Life-Speichern höher: Sie haben einen höheren Innenwiderstand – dies führt zu mehr Verlusten beim Be- und Entladen, die Batterien haben deutlich schlechtere Wirkungsgrade. Gleichzeitig steigt der Klimatisierungsbedarf bedeutend. Das führt dazu, dass alte Batterien öfter gewartet werden müssen und sich das Risiko von Ausfällen erhöht.

Zu guter Letzt haben neue Batterien in der Regel eine Herstellergarantie von 15 Jahren. Dies erleichtert die Finanzierung mit Banken deutlich und senkt die Finanzierungskosten.

Ich halte das Recycling alter Batterien und die Produktion von neuen Batterien aus den zurückgewonnenen Materialien für Speicheranlagen für attraktiver. Dafür müssen die Recycling-Methoden noch weiter verbessert werden.

Wie hat sich Ihr Geschäft mit großen Batteriespeichern entwickelt? Wer sind ihre wichtigsten Kunden?

Wir verzeichnen ein starkes Wachstum. In 2022 waren wir am Bau von 120 MW, was rund 20 % des gesamten Zubaus in diesem Jahr entspricht, beteiligt und haben derzeit eine konkrete Projekt-Pipeline von über 2 GWh. Zu den wichtigsten Kunden zählen Investoren aus der Energiebranche – insbesondere große Energieversorger und Investmentfonds für erneuerbare Energien.

Die EU hat sich eine stärkere Resilienz der Energieversorgung und von Lieferketten und die Förderung der Batterieproduktion in Europa auf die Fahne geschrieben. Sollte hier noch mehr passieren? Und wenn ja, wie?

Eine erneuerbare und kostengünstige Mobilität und Energieversorgung sind ohne Batterien nicht denkbar. In Europa gibt es bisher kaum Produktionsanlagen für Batteriezellen und Module, deshalb ist man massiv vom Import aus anderen Ländern abhängig. Ein Großteil der globalen Produktionskapazitäten von Batterien befindet sich in China. China verfolgt allerdings selbst ambitionierte Ausbauziele für erneuerbare Energien und entsprechend zwangsweise auch für stationäre Batteriespeicheranlagen. Die Energiewende in Europa würde zum Erliegen kommen, wenn China den eigenen Markt priorisieren würde und die Exporte drosselt. Deshalb müssen auch in Deutschland und Europa Fabriken zur Herstellung von Batterien gebaut werden. Alle Investitionen sind hier extrem förderlich. Die USA beispielsweise fördern die Entwicklung von Batterietechnologien und den Bau von Produktionsanlagen massiv. Europa muss schnell aufholen, um nicht den Anschluss in einem der wichtigsten Märkte der nächsten Jahrzehnte zu verlieren. Wir dürfen nicht vergessen, dass alle anderen Sektoren zur Produktion von Gütern von einer günstigen und sicheren Energieversorgung abhängen.

Von Das Interview führte Hans-Christoph Neidlein