Nachhaltige Baustoffwende
Eine Studie im Auftrag des Baustoffproduzenten Holcim zeigt: Wer den Bausektor in Deutschland nachhaltig aufstellen will, muss Klima- und Ressourcenschutz an vorderste Stelle setzen. Die Studie „Nachhaltige Baustoffwende“ wurde vom Wuppertal Institut in Zusammenarbeit mit Butterfly Effect Consulting erstellt.

3D-Rendering. eines Betonbaus.
Foto: Bildagentur PantherMedia / vinkfan
Die Transformation der Baubranche ist notwendig, um die Klimaschutzziele zu erreichen, heißt es in der Studie. Daneben biete die Kreislaufwirtschaft Chancen für Innovation, Wachstum und Beschäftigung und stärke zudem, etwa durch Urban Mining oder die Produktion von zirkulären Baustoffen, regionale Wertschöpfungsketten.
Sondervermögen als Chance
„Das 400 Milliarden Euro umfassende Sondervermögen der Bundesregierung zur Sanierung der Infrastruktur bietet dafür eine historisch einmalige Chance“, kommentiert Thorsten Hahn, CEO von Holcim Deutschland. „Dazu muss die öffentliche Hand eine Vorreiterrolle bei der Umsetzung von Nachhaltigkeitsstandards, der Verwendung nachhaltiger Baustoffe und der Etablierung zirkulärer Baupraktiken einnehmen.“
Weniger Downcycling, mehr politisches Handeln gefragt
Der Bausektor in Deutschland ist für rund 40 Prozent des Rohstoffverbrauchs verantwortlich und verursacht dabei erhebliche CO2-Emissionen. Zudem fallen bei Neu- und Umbauten sowie beim Abriss von Gebäuden erhebliche Mengen an Abbruchmaterial an, die in Deutschland etwa 55 Prozent des gesamten Abfallaufkommens ausmachen. Obwohl mineralischer Bauschutt bereits zu rund 90 Prozent recycelt wird, geschieht dies oft nicht gleichwertig zur Erstnutzung, sondern zum Beispiel für Tragschichten im Straßenbau. Das Potenzial für gleich- oder höherwertige Wiederverwertungen wird dabei nicht ausgeschöpft.
Laut der Studie verdeutlicht das die Notwendigkeit, die Baubranche nachhaltiger und klimafreundlicher aufzustellen. „Wir haben in der Studie viele Potenziale herausgearbeitet, wie Baustoffe ressourcenschonender hergestellt und genutzt werden könnten“, sagt Monika Dittrich, Leiterin des Forschungsbereichs Zirkuläre Systeme am Wuppertal Institut. „Für eine erfolgreiche Umsetzung brauchen wir aber Tempo und entschlossenes politisches Handeln. Die öffentliche Hand hat durch ihre immense Nachfrage die Kraft, die Transformation anzustoßen. Und sie hat die Möglichkeiten, die Wende über regulatorische Vorgaben voranzutreiben.“
Ökologisch geboten, technisch machbar: Warum die Baustoffwende dennoch lahmt
Wie die Verfasser der Studie mitteilen, zeigen sich bei der Umsetzung der Baustoffwende noch immer Defizite und Hemmnisse, trotz der ökologischen Notwendigkeit und vorhandener rechtlicher Rahmenbedingungen wie der EU-Taxonomie, der Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS) und der Mantelverordnung für mineralische Ersatzbaustoffe.
So macht die Studie etwa auf die unzureichende Integration der Kreislaufwirtschaft im Bauwesen aufmerksam – wie etwa fehlende digitale Tools wie BIM (Building Information Modeling) oder Materialpässe, unklare Standards für recycelte Materialien, komplexe Zulassungsverfahren und unzureichende Datenbanken für Sekundärrohstoffe. Zudem werden Umweltkosten nicht vollständig berücksichtigt, die Förderanreize sind ausbaufähig und es fehlt an verbindlichen Rezyklatquoten.
Acht Handlungsfelder: Worauf es jetzt ankommt
Die Studie identifiziert acht zentrale Handlungsfelder für politische Entscheidungsträger*innen und die Bauwirtschaft, um die notwendige Transformation voranzutreiben:
- Verbindliche Rezyklatquoten und Materialvorgaben: Etablierung klarer Mindestanteile für Sekundärrohstoffe in Bauprojekten, insbesondere im öffentlichen Bereich.
- Lebenszyklusbasierte Ökobilanzierung im Bauwesen: Einführung verbindlicher Lebenszyklusanalysen bei Planung, Ausschreibung und Genehmigung von Bauvorhaben.
- Nutzung des Vergaberechts als Transformationshebel: Integration von Nachhaltigkeitskriterien in öffentlichen Ausschreibungen – nicht nur als Option, sondern als Standard.
- Finanzielle Anreize und Investitionsprogramme: Schaffung ökonomischer Rahmenbedingungen, die Investitionen in zirkuläre Produktionsprozesse, Baustoffe und Bauweisen fördern.
- Digitale Infrastruktur und Transparenz: Aufbau von Materialpässen, Gebäudekatastern und Urban-Mining-Datenbanken zur besseren Planbarkeit und Steuerung des zirkulären Bauens.
- Wissen, Qualifikation und Kulturwandel: Förderung von Fachstudium, Weiterbildungsangeboten, Normenverständnis und Planungsinstrumenten für alle Akteursgruppen.
- Strategie für Urban Mining: Systematische Erfassung, Bewertung und Aktivierung anthropogener Lager als Ressource der Zukunft.
- Klare Definition von Abfallende-Eigenschaften: Rechtssicherheit für Sekundärmaterialien durch bundeseinheitliche Regelungen und vereinfachte Zulassungsverfahren für zirkuläre Produkte bzw. Recyclingprodukte.
Das Fazit: „Die Studie veranschaulicht, dass die Transformation des Bausektors Klima-, Umwelt- und Ressourcenschutz in Deutschland deutlich nach vorne bringen kann“, so Martin Bethke, Gründer und CEO von Butterfly Effect Consulting. „Damit kann die Bauwirtschaft entscheidend zum Erreichen der deutschen Klimaschutzziele und zur Schonung knapper Primärrohstoffe beitragen. Die Baustoffwende ist ein zentraler Baustein für die ökologische Modernisierung der deutschen Wirtschaft.“
Die Studie „Nachhaltige Baustoffwende“ aus dem April 2025 steht hier zum kostenlosen Download bereit.
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