Lagerhalle wird zu kreativem Workspace
Das neue Forschungs- und Entwicklungszentrum der Firma Velux setzt Maßstäbe beim schonenden Umgang mit Ressourcen.
Das LKR Innovation House, neues Forschungs- und Entwicklungszentrum von Velux, ist aus einer ehemaligen Lagerhalle aus Holz entstanden.
Foto: Velux / Adam Mørk
Im dänischen Østbirk wurde eine 30 Jahre alte Lagerhalle von Praksis Arkitekter in ein modernes Forschungs- und Entwicklungszentrum für den Dachfensterhersteller Velux umgebaut. Rund 500 Mitarbeitende arbeiten im neuen Velux LKR Innovation House an der Weiterentwicklung von Dachfenstern und Zubehör sowie anderen Innovationen, die über die Kernprodukte des Unternehmens hinausgehen. Durch Nutzung des Bestands und Wiederverwendung von dessen Materialien konnten über 55 Prozent des Materials, das für die Realisierung als Neubau erforderlich gewesen wären, eingespart werden. Dadurch liegt der CO2-Fußabdruck deutlich unter dem vergleichbarer Gebäude in Dänemark.
Im Experiment aus Holz bewähren
Basis für den Umbau war ein 30 Jahre altes Velux Lagergebäude aus Holz. Lars Kann-Rasmussen, Sohn des Gründers und damaliger Vorstandsvorsitzender der Velux Gruppe, hatte seinerzeit die Vision, ein Gebäude zu errichten, das vollständig aus Holz besteht. Wo es möglich war, wurden im alten Gebäude Beton und Stahl komplett durch Holz aus dänischen und schwedischen Wäldern ersetzt. Es wurde unbehandelt verbaut, um seine Langlebigkeit zu testen und zu erforschen, wie nachhaltig die Verwendung von Holz als primärer Baustoff ist. Diesem Ansatz verdankt das Gebäude, das im Mai 1995 erstmals eingeweiht wurde, seinen Namen „Experiment aus Holz“. Bis heute hat sich dieses Experiment bewährt: Selbst das Holz der Fassade war in gutem Zustand. „Unser übergeordnetes Ziel war es daher, so viel wie möglich vom Gebäude zu erhalten und es in die Zukunft zu führen“, beschreibt Architektin Mette Tony von Praksis Arkitekter den Ansatz des Umbaus, bei dem große Teile der alten Lagerhalle für das Velux LKR Innovation House genutzt werden konnten.
Ein modernes Arbeitsumfeld schaffen
Mette Tony weiter: „Wir suchen immer nach der Koexistenz von Alt und Neu, um das Beste aus beiden herauszuholen und eine Einheit zu schaffen, denn man muss sich auch bewusst sein, dass man nicht der letzte Architekt ist, der hier arbeitet. In 20 Jahren kommt jemand Anderes und baut das Ganze neu auf.“ Eine der wichtigsten Aufgaben sei es gewesen, Tageslicht hereinzulassen. Hierzu wurden in den geschlossenen Baukörper des Lagers zwei Atrien eingeschnitten und begrünt. Dies sei der erste Schritt für deutlich mehr Tageslicht im Innern und für mehr Blickverbindungen zur Natur im Äußeren gewesen. Um zusätzlich in der Tiefe des Gebäudes helle Arbeitsbedingungen zu schaffen, wurde das riesige Dach zu einer Landschaft aus Velux Dachfenstern umgestaltet. Umgesetzt wurde dies mit 387 elektrisch betriebenen Schwingfenstern, zwei Ausstiegsfenstern mit Türfunktion für den Handwerkerausstieg auf das Dach und 26 Modular Skylights, alle 3-fach-verglast. Für angenehme Temperaturen auch im Sommer wurden alle Dachfenster mit außen liegenden Hitzeschutz-Markisen ausgestattet. Bei den Modular Skylights wurden innen Sonnenschutz-Rollos angebracht.

Mit einem durchdachten Logistik-Konzept schreitet nicht nur das Projekt schneller voran, auch das Material ist weniger der Witterung ausgesetzt.
Foto: Brüninghoff
Ressourcen schonen
Im Rahmen des Umbaus zum LKR Innovation House kam Holz als Hauptkonstruktionsmaterial zum Einsatz, um die grauen Emissionen des Gebäudes zu senken. Bei der Restaurierung und Renovierung der 30 Jahre alten Lagerhalle wurde die ursprüngliche Holzkonstruktion des Gebäudes bewahrt. Indem so viele der vorhandenen Materialien wie möglich wiederverwendet oder umgenutzt wurden, konnte mehr als die Hälfte der ursprünglichen Materialien erhalten werden. Verglichen mit dem Neubau eines Gebäudes ähnlicher Größe und Funktion konnten so ungefähr 55 % oder 4 476 t Materialien eingespart werden.

Bei der Restaurierung und Renovierung der 30 Jahre alten Lagerhalle wurden das ursprüngliche Design des Gebäudes und mehr als die Hälfte der ursprünglichen Materialien erhalten. Das Holz der 30 Jahre alten Fassade ist in gutem Zustand und wurde beim Umbau nicht erneuert.
Foto: Adam Mørk /Projekt: Velux LKR Innovation House
Bestandsholz wiederverwenden
Wesentlich dafür waren der Erhalt oder die Umnutzung der ursprünglichen Betonplatte, bestehenden Dachkonstruktionen und tragenden Holzbalken aus Brettschichtholz sowie der hölzernen Fassaden, Dachüberstände und inneren Betonwände. So wurde das Holz der bestehenden Fassade für die Dämmung der Außenwand demontiert und anschließend wieder montiert. Die in den Ausschnitten für die Innenhöfe entfernten Brettschichtholzrahmen kamen etwa in Nebengebäuden des umliegenden Gebiets oder geupcycelt für den Bau von Möbeln wieder zum Einsatz. Die vorhandene Dachfläche erhielt nur eine neue Dämmung und neue Oberlichter. Die Holzschnitte aus den neuen Fensteröffnungen kamen bei den neuen Fassaden in den Innenhöfen zum Einsatz. Weiteres Holz aus dem Bestand wurde verwendet, um notwendige Wartungen und den Austausch von Elementen zu realisieren.

Die ausführliche Dokumentation über BIM hilft, die Sanierbarkeit zu einem späteren Zeitpunkt zu beurteilen.
Foto: Brüninghoff
Harmonischen Übergang zur Natur ermöglichen
Der vorhandene Betonboden konnte unverändert weiter genutzt werden. Innere Betonwände kamen zum einen als Wände um die Treppenkerne zum Einsatz, zum anderen wurden demontierte Elemente als Pflastersteine oder Außenmöbel genutzt. Leichte Innenwände aus Gipskartonplatten und Mineralwolle in den Wänden wurden recycelt. Entfernte Vordächer wurden als Teil der Nebengebäude auf dem Gelände wiederverwendet. Zudem wurden viele Pflastersteine rund um das Gebäude entfernt, um einen harmonischeren Übergang zur umliegenden Natur zu schaffen. Sie wurden jedoch nicht entsorgt, sondern beispielsweise auf Parkplätzen, an Nebengebäuden oder auf Fußwegen wiederverwendet.

Das Foyer mit seiner hohen Decke dient als dynamischer Treffpunkt zum Beispiel für Ausstellungen, als Showroom, für Besprechungen, Lounge und Empfangsbereich. Die Natur ist in diesem Haus allgegenwärtig. Von jedem Raum und jedem Arbeitsplatz ist der Zugang zu Tageslicht und Natur möglich.
Foto: Velux / Adam Mørk
Räume bedarfsorientiert klimatisieren
Das LKR Innovation House konzentriert sich konsequent auf natürliche Ressourcen und energetische Optimierung. Über ein intelligentes System zur natürlichen Lüftung, gesteuert über 400 WindowMaster WMX 804 Kettenantriebe, die per MotorLink zentral und zonenweise betätigt werden, wird ganzjährig eine bedarfsorientierte Frischluftzufuhr gewährleistet. Die mehr als 400 Velux Fenster bringen Tageslicht ins Gebäude, reduzieren den Bedarf an künstlicher Beleuchtung und unterstützen das passive Raumklima-Management. Im Zusammenspiel mit der thermisch optimierten Gebäudestruktur konnte so ein sehr niedriger CO2-Fussabdruck erreicht werden: Mit nur 4,6 kg CO2e/m2/Jahr liegt das Velux LKR Innovation House weit unter den dänischen Vorschriften für Bürogebäude und auch schon deutlich unter dem ab 2029 geltenden Grenzwert von 6,1 kg CO2e/m2/Jahr.

387 Schwingfenster, zwei Ausstiegsfenster mit Türfunktion und 26 Modular Skylights im Dach des Gebäudes sorgen für lichtdurchflutete Räume und machen Tages- und Jahreszeiten im Inneren erlebbar.
Foto: Adam Mørk /Projekt: Velux LKR Innovation House
Komfortmodell für Innenraumklima adaptieren
Die Gestaltung des thermischen Komforts in den natürlich belüfteten Räumen erfolgte anhand des adaptiven Komfortmodells. Das berücksichtigt die Auswirkungen des Außenklimas auf den Innenraumkomfort und geht davon aus, dass sich Menschen an unterschiedliche Temperaturen im Laufe des Jahres anpassen und auch selbst Einfluss auf das Innenraumklima nehmen können. Ein Ansatz, der nicht nur den Bedarf an mechanischer Kühlung reduziert, sondern auch die Verbindung zwischen den Nutzenden und der Umgebung stärkt. Dieses Modell wird häufig zur Bewertung natürlich belüfteter Gebäude verwendet. Das LKR Innovation House ist danach in Kategorie 2 eingestuft, was bedeutet, dass die Innentemperatur innerhalb eines gemäß der europäischen Norm EN 16798 definierten Komfortbereichs bleibt und diesbezüglich keine Abstriche gemacht werden müssten.

Die zahlreichen Oberlichter und ihre unterschiedlichen Positionen sorgen für Vielfalt im Raum und lassen je nach Wetter und Jahreszeit verschiedene Lichtfarben vom Himmel hereinströmen.
Foto: Velux / Adam Mørk
Die Arbeitsbereiche fließen lassen
Das LKR Innovation House besteht heute aus einer Reihe von Räumen, die sowohl ineinandergreifen als auch unabhängig voneinander genutzt werden können. Das gesamte Gebäude ist durch einen natürlichen Fluss geprägt, der informelle Treffpunkte und Arbeitsbereiche entstehen lässt, die sich zu einem Gemeinschaftsgefühl verbinden. Alle Räume sind gleichberechtigt angeordnet und Funktionen klar erkennbar, wodurch ein einladendes und übersichtliches Arbeitsumfeld entsteht.

Die lichtdurchflutete Kantine befindet sich im Zentrum des Gebäudes. Die Küche verfügt über einen eigenen Eingang und ist mit der Warenannahme und dem überdachten Lager verbunden.
Foto: Velux / Adam Mørk
Ausblicke ermöglichen
Betritt man das im Osten gelegene lichtdurchflutete Foyer, fällt sofort einer der großen begrünten Innenhöfe ins Auge. Dank der großflächig verglasten Fassaden ermöglicht er einen Ausblick in große Teile des Gebäudes und man erhält schnell einen Überblick, wo sich die unterschiedlichen Nutzungsbereiche befinden.
Werkstätten und Büroräume verbinden
Das Foyer mit seiner hohen Decke dient als dynamische Fläche zum Beispiel für Ausstellungen und Besprechungen sowie als Showroom, Lounge und Empfangsbereich. Es bietet eine direkte Verbindung zu den Werkstätten, den Büroräumen und dem Auditorium. Die Werkstätten befinden sich in dem Flügel links des Foyers und bieten vielfältige Möglichkeiten zur Präsentation von Innovationen. Zudem gewährleistet ihre Lage gute Bedingungen für Lieferungen von der Südfassade aus. Die Büroräume sind entsprechend der internen Zusammenarbeit einzelner Arbeitsfelder und je nach dem erforderlichen Grad an Vertraulichkeit angeordnet. Die meisten befinden sich im Flügel rechts des Foyers an der Nordfassade, sodass sie eine schöne Aussicht bieten, ohne sie vor direkter Sonneneinstrahlung schützen zu müssen. Weitere Arbeitsplätze sind in Nischen und vielen kleinen Zonen neben offenen Bereichen in großen Teilen des Gebäudes zu finden. Wer vom Eingang aus zweimal rechts geht, erreicht das Forum – ein Schauplatz für ständig wechselnde Veranstaltungen, Vorträge und Konferenzen, die Menschen aus aller Welt zusammenbringen.

Flexibel nutzbare Arbeitsplätze befinden sich u.a. im ersten Obergeschoss des Velux LKR Innovation House.
Foto: Velux / Adam Mørk
Die Natur nach innen holen
Im Zentrum des LKR Innovation House, umgeben von den beiden begrünten Innenhöfen, liegt die Kantine, was den Speisesaal zu einer Art grünen Herzen des Hauses macht. Der direkte Zugang zu beiden Innenhöfen ist gegeben. Sie bringen Tageslicht und frische Luft in die Mitte der ehemaligen Halle. Dort sind neue Innenfassadenbereiche entstanden, die die strategische Platzierung von mehr Arbeitsplätzen an Außenflächen ermöglichen. Auf diese Weise holt das LKR Innovation House die Natur noch weiter ins Innere und die Grünflächen werden zu einem zentralen Blickpunkt für das gesamte Haus.
Forschungseinrichtungen sichern
Im Westen befinden sich die Forschungseinrichtungen, in denen kontinuierlich Experimente stattfinden. Diese Einrichtungen sind gesichert, um ein hohes Maß an Vertraulichkeit zu gewährleisten.

Vom Gebäude aus hat man den Blick auf „Nature Østbirk“, einen 70.000 Quadratmeter großen Park im Besitz der Velux Gruppe, der von der Bevölkerung vor Ort genutzt wird.
Foto: Velux / Adam Mørk
In ein inspirierendes Arbeitsumfeld transformieren
Das 9 500 m² große Lagerhaus wurde in ein 14 000 m² großes helles und inspirierendes Arbeitsumfeld transformiert. „Mit diesem beeindruckend renovierten und neu gestalteten Gebäude verfügen wir nun über ein bestens ausgestattetes Innovationszentrum, in dem wir ausgezeichnete Produkte und Lösungen für unsere Kundinnen und Kunden entwickeln können“, zeigte sich Tina Mayn, Executive Vice President, Products & Innovation der Velux Gruppe, nach Abschluss des Umbaus mehr als zufrieden.
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