Myonentomografie statt Röntgen
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) wollen Grundlagen für die Nutzung der Myonentomografie im Infrastrukturbereich schaffen. Die Technologie nutzt Teilchen, die entstehen, wenn kosmische Strahlung in die Erdatmosphäre eintritt. Sie soll jetzt für Inspektionen und weitere Untersuchungen, die bisher nur mit Hilfe von Röntgenverfahren durchgeführt werden konnten, eingesetzt werden.
Installation des XL Scanners von GScan an der Mäo-Brücke in Estland.
Foto: GScan
Das Röntgen als Untersuchungsmethode von Bauwerken wird wegen Strahlenschutzvorgaben kaum noch eingesetzt. Einen adäquaten Ersatz für ein Verfahren, das den Blick ins Innere von Beton erlaubt, gab es bislang nicht. Abhilfe könnte jetzt die Myonentomografie schaffen. Diese macht sich einen Teil der natürlichen Strahlung der Erde zu Nutze macht und ist deswegen unschädlich. Myonen entstehen, wenn kosmische Strahlung in die Erdatmosphäre eintritt, dort mit Molekülen der Luft reagiert, und zerfällt.
Noch wenig erforscht
Umfangreiche Forschungen zur Myonentomografie im Bauwesen habe es bisher noch nicht gegeben. Die Technologie steht hier laut dem Leiter des Fachbereichs Zerstörungsfreie Prüfmethoden für das Bauwesen an der BAM Dr. Ernst Niederleithinger vielmehr noch ganz am Anfang: „Unser Versuch soll einen Beitrag dazu leisten, den Einsatz der Myonenscanner auf eine noch solidere wissenschaftliche Basis zu stellen, und eventuell eine Einführung des Verfahrens hierzulande fördern. Genauigkeit und Auflösung wären für die meisten Inspektionszwecke im Infrastrukturbereich ausreichend.“
Vergleichende Messungen an einem eigens entwickelten Betonprüfkörper
In einem gemeinsamen Experiment mit dem Start-Up GScan verglichen Forscherinnen und Forscher der BAM die Ergebnisse von Messungen mit Radar, Ultraschall und der Myonentomografie. Vermessen wurde ein Betonprüfkörper, der an der BAM für Referenzexperimente entwickelt wurde. Die Myonenscanner lieferte GScan. Das Unternehmen hat Prototypen gemeinsam mit dem britischen Infrastrukturbetreiber National Highways validiert und damit in Estland Brücken vermessen. Für das Experiment wurden zwei Scanner jeweils ober- und unterhalb des Prüfkörpers platziert, der mit einer Dicke von 50 cm mit vielen Brückenkonstruktionen vergleichbar ist. Er ist auch massiver als alle bisherigen Objekte, an denen die GScan-Detektoren getestet wurden. Um ein realistisches Szenario zu schaffen, enthält der Prüfkörper ein Hüllrohr mit Spanndrähten, da Spannungsrisskorrosion eine typische Problemstelle an Brücken darstellt, ist zur Hälfte mit einem Bewehrungsgitter versehen und enthält zusätzlich mehrere unterschiedlich große Styroporkugeln, die Hohlräume simulieren.
Myonen schlagen Ultraschall und Radar
Die Ergebnisse zeigen, dass die Myonentomografie im Vergleich zu den anderen zwei Verfahren die meisten Erkenntnisse lieferte. Während alle drei Technologien Ultraschall, Radar und Myonen sowohl Bewehrungsgitter, Hüllrohr als auch einige Styroporkugeln erkannten, zeigte die Durchleuchtung mit Myonen die meisten Objekte. Als einzige erkannte sie annähernd richtige Abmessungen und erlaubt zudem eine Abbildung in 3D. Position und Größe werden von den Scannern auf Grundlage der veränderten Flugbahnen der Myonen berechnet. Durch ihre hohe Energiedichte sind sie in der Lage, große Objekte zu durchdingen, werden dabei jedoch abgeleitet, wenn sie auf Hürden stoßen. Die Messdaten werden zunächst direkt im Scanner verarbeitet und in einer Cloud mit Hilfe eines Machine-Learning-Models zu einem 3D-Bild zusammengesetzt.
Zeit als begrenzender Faktor?
Die Technologie birgt das Potenzial, Verpressfehler in Hüllrohren oder sogar Korrosionsschäden im Inneren der Rohre zu erkennen. Allerdings dauern die Messungen mit Myonentomografie sehr lange – für das Experiment zum Bespiel zwei Wochen. Dafür eignet sich das Verfahren auch für besonders große Bauwerke. In der Vergangenheit wurde es zur Vermessung von Vulkanen, ägyptischen Pyramiden und einem der Reaktoren in Fukushima eingesetzt.
Daneben werden weitere Prüfmethoden mit BIM und KI erforscht
Die BAM entwickelt Prognose- und Monitoring-Verfahren für Brücken, die von Spannungsrisskorrosion betroffenen sind oder sein könnten. Darüber hinaus forscht die BAM auch an Überwachungsmethoden für neuere Brücken und andere Bautypen. Auch sie profitieren von einer Überwachung, um Schäden rechtzeitig zu erkennen und Maßnahmen auszulösen. Einige der Methoden arbeiten zusätzlich mit Simulationen, beispielsweise digitalen Zwillingen, und setzen künstliche Intelligenz ein.
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