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Neue Technologie für die Zementindustrie 14.05.2025, 00:00 Uhr

CO2-Abscheidung im Schleudergang

Eine Waschmaschine, die anstatt von Schmutz aus der Kleidung, CO2 aus Rauchgasen wäscht – so lässt sich ein neues Verfahren beschreiben, das von der TU Berlin gemeinsam mit dem Industrieanlagenbauer thyssenkrupp Uhde und dem Baustoffkonzern Holcim erforscht wird. Das Ziel: eine energieeffiziente Lösung, um die CO2-Emissionen in der Zementindustrie zu reduzieren.

Prof. Dr. Jens-Uwe Repke an der Pilotanlage zur CO2-Reduktion. Foto: Kevin Fuchs

Prof. Dr. Jens-Uwe Repke an der Pilotanlage zur CO2-Reduktion.

Foto: Kevin Fuchs

Der Ansatz, den die Kooperationspartner dabei verfolgen, basiert auf der sogenannten Aminwäsche, einer chemischen Absorption, die in einem rotierenden Apparat durchgeführt wird. „Man kann sich das wie eine Waschmaschine vorstellen“, erklärt Jens-Uwe Repke, der das Fachgebiet Dynamik und Betrieb technischer Anlagen leitet. „Das Abgas wird in eine rotierende Trommel geleitet, die man Packung nennt. Dort kommt es mit einer speziellen Waschflüssigkeit, der Aminlösung, in Kontakt, wobei das CO2 in der Flüssigkeit gebunden wird.“

Fliehkräfte, ähnlich wie bei einem Karussell

Das Besondere an der neuen Technologie ist ein rotierender Metallschaum, der eine große Oberfläche auf kleinem Raum bietet. „Die rotierenden Einbauten nutzen Fliehkräfte, ähnlich wie bei einem Karussell. Sie sorgen dafür, dass die Flüssigkeit durch den Metallschaum geleitet wird, und hier wird eine intensive Durchmischung von Gas und Waschmittel erreicht“, sagt Olaf von Morstein, Projektkoordinator von thyssenkrupp Uhde. „So können wir mehr CO2 in kürzerer Zeit auf kleinstem Raum aus den Abgasen herausfiltern – und das mit weniger Energieeinsatz.“ Dank der rotierenden Apparate kommen konzentrierte Waschlösungen zum Einsatz, was die CO2-Absorptionskapazität pro Liter Waschmittel deutlich erhöht. Zudem erlaubt die Rotation über die Steuerung der Drehzahl eine flexible Anpassung an unterschiedliche Produktionsbedingungen.

Dr. Markus Illner an der Pilotanlage zur CO2-Reduktion.

Foto: Kevin Fuchs

Von der Theorie in die Praxis

„Wir verbinden hier Grundlagenforschung mit praktischer Anwendung“, sagt Jens-Uwe Repke. „Im Labor funktionieren unsere Modelle – aber entscheidend ist, dass sich die Technologie auch in der Industrie bewährt.“ Aktuell wird das Verfahren mit echten Abgasströmen in einer Pilotanlage im Holcim-Zementwerk im nordrhein-westfälischen Beckum getestet. „So können wir sicherstellen, dass es im großtechnischen Maßstab keine unerwarteten Probleme gibt“, sagt Florian Kleinwächter, Unternehmensentwickler bei Holcim.

CO2 Reduktion um mehr als 90 Prozent

Die Ergebnisse sind vielversprechend, heißt es in einer aktuellen Meldung der TU Berlin. So soll die Anlage mehr als 90 Prozent des Kohlendioxids aus den Abgasen waschen können. Das TU-Team arbeitet darüber hinaus an mathematischen Modellen, die eine Skalierung der Technologie auf einen Industriemaßstab ermöglichen. „Unser Ziel ist es, dass solche Anlagen künftig standardmäßig in der Zementindustrie eingesetzt werden können“, sagt Repke. „Wenn ich in zehn Jahren an einem Werk vorbeifahre und sehe, dass diese Technik dort im Einsatz ist – das wäre für mich als Wissenschaftler die Erfüllung eines Traums.“

Kooperationen sind unerlässlich

„Unsere Carbon-Capture-Projekte kosten schnell mehrere hundert Millionen Euro“, erklärt Kleinwächter. „Deshalb brauchen wir die Sicherheit, dass die Technologie auch im realen Betrieb zuverlässig funktioniert. Nur durch enge Kooperation können wir Innovationen voranbringen und den Weg zur Klimaneutralität weiter beschreiten.“

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Von Von TU Berlin / Melanie Schulz