In Rekordzeit abgerissen und recycelt
Den Abriss eines gleisüberführenden Abschnitts der Berliner Westendbrücke in nur zwei Wochen bei laufendem Bahnbetrieb hatte die RWG I Abbruch und Tiefbau GmbH – ein Tochterunternehmen von Heidelberg Materials Mineralik – hingelegt. Zuvor hatten bereits die Behörden im Eiltempo genehmigt, die Abrissplanung war komplex. Das Besondere: 99 % des Materials des ehemaligen Spannbetonbauwerks werden recycelt. Nun soll eine neue Brücke am selben Standort gebaut werden, die Bauarbeiten sollen spätestens im Herbst beginnen.
Die Westendbrücke in Berlin-Charlottenburg ist eine der verkehrsreichsten Autobahnbrücken im Stadtgebiet. Der Abriss bedeutete auch eine Unterbrechung des Fern- und S-Bahnbetriebs.
Foto: Jost Listemann, TIME:CODE:MEDIA
Die Heidelberg Materials Mineralik Tochter RWG I hatte den gleisüberführenden Abschnitt der Berliner Westendbrücke in nur zwei Wochen abgerissen und damit die Stilllegung der Bahnstrecke darunter auf ein Minimum reduziert. Rund 99 % der anfallenden Materialien werden aufbereitet und wieder verwendet. Durch den Abbruch der Westendbrücke im April 2025 bietet sich jetzt die Möglichkeit, die neue Brücke an selber Stelle zu bauen, wodurch die Bauzeit deutlich verkürzt werden kann. Wie DEGES Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH mitteilt, habe diese die Planungen entsprechend angepasst. Die Umsetzung soll weitgehend parallel zum Neubau der Ringbahnbrücke erfolgen, die beinahe zeitgleich abgerissen wurde. Dadurch soll der gesperrte Abschnitts der A 100 schnellstmöglich wiederhergestellt werden.
Eine der verkehrsreichsten Autobahnbrücken in Berlin
Die Ringbahn- und Westendbrücke in Berlin-Charlottenburg waren zwei der verkehrsreichsten Autobahnbrücken im Stadtgebiet. Über die beiden Spannbetonbauwerke rollten täglich mehr als 90 000 Fahrzeuge, rund viermal mehr als beim Bau im Jahr 1963 vorgesehen. Als Prüfer im März dieses Jahres einen Riss im Tragwerk der Ringbahnbrücke entdeckten, sperrte die Autobahn GmbH die Brücke umgehend und ordnete deren Abbruch an. Das bedeutete jedoch eine Unterbrechung des Fern- und S-Bahnbetriebs. „Da der Bahnausfall teuer und für Reisende nervig ist und das Schadensausmaß auch an der etwa einen Kilometer entfernten Westendbrücke erheblich war, lag es auf der Hand, auch gleich die Westendbrücke abreißen zu lassen“, erläutert Dr. Sebastian Krohn, verantwortlicher Projektingenieur bei DEGES. Um die Dauer der Stilllegung möglichst kurz zu halten, sollte der Abriss des Teilabschnitts, der über die Gleise führt, in zwei Wochen abgeschlossen sein.

Die Gleise mussten ausgebohlt und mit Vlies bedeckt werden – über eine Fläche von etwa 4.000 Quadratmetern.
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Wenig Zeit vom Auftrag bis zum Startschuss
„Die Anfrage, ob wir das hinbekommen würden, erreichte uns am Freitag, den 28. März um 19 Uhr. Nach kurzer interner Abstimmung stand für uns fest: Das machen wir, und das schaffen wir“, erklärt Oliver Schumacher, Geschäftsführer bei RWG I rückblickend. Dann ging alles schnell. Schon wenige Tage später war der Auftrag auf dem Tisch, und am nächsten Tag ging es vor Ort los. Um den straffen Zeitplan einzuhalten, mussten etliche Prozesse parallel laufen, etwa die Baustelle einrichten, amtliche Genehmigungen einholen und den Abbruch ingenieurtechnisch planen“, berichtet Schumacher.
Ämter auf Grund Dringlichkeit sensibilisiert
Bis ein 90-Tonnen-Bagger auf der Baustelle ist, dauert es normalerweise drei bis vier Wochen, denn für Schwertransporte, zumal in der Stadt, braucht es eine Genehmigung. Für den Abriss der Westendbrücke sei der Bagger am nächsten Tag dagewesen, berichtet Schumacher. Dies zeige, dass das Projekt Westendbrücke ein Sonderfall war. Und auch Krohnn bestätigt, dass alle Anträge, egal ob es um Schwertransporte, Lärmschutz oder Nachtarbeit ging, im Eilzugtempo genehmigt worden seien, die Ämter seien entsprechend sensibilisiert gewesen.

90-Tonnen-Bagger auf der Baustelle im Nachteinsatz – Schwertransport, Lärmschutz und Nachtarbeit wurden im Eiltempo genehmigt.
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Herausfordernder Abbruch mit wenig Erfahrungswerten
Knifflig sei vor allem die Abbruchplanung des Ingenieurbauwerks gewesen, da ein Abriss von Spannbetonbrücken nicht nach Schema F funktioniere und es darüber hinaus kaum Erfahrungswerte gebe. So hatte die Westendbrücke nur einen Festpunkt; alles andere waren Pendelstützen gewesen. Dies wiederum hieß, dass die Brücke während des Baggereingriffs theoretisch nach allen Seiten hätte kippen können. Die Reihenfolge der Abbruchschritte hätten deshalb sehr gewissenhaft geplant und abgestimmt werden müssen. Als der Bagger schließlich in Aktion trat, staunten alle nicht schlecht. Der Brückenkörper habe wie eine Eins gestanden.
Aufwendige Vor- und Nacharbeiten zum Schutz der Gleise
Doch vor dem eigentlichen Abbruch musste die Baustelle eingerichtet, und die Gleise mussten geschützt werden. Hierfür hat RWG I allein am ersten Wochenende fast 3 800 m³ Schottertragschicht geliefert, insgesamt waren es 13 500 m³. In Spitzenzeiten waren bis zu 50 Mann auf der Baustelle, vor allem, als es um den Schutz der Gleise ging. Sie mussten ausgebohlt und mit Vlies bedeckt werden – und dies über eine Fläche von etwa 4 000 m2 und in einer Mächtigkeit von einem Meter. „Das sind personalintensive Arbeiten, und ich bin beeindruckt, mit welcher Geschwindigkeit RWG I hier einen Dreischichtbetrieb hochgefahren hat“, lobt Krohn.

Neben dem Abbruch hat die RWG-Gruppe auch den Abtransport und das Aufbereiten von Abbruchmaterial durchgeführt.
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Zeitfrist trotz Asbest-Überraschung und zusätzlichen Abrissarbeiten eingehalten
Folglich war das Einhalten der gesetzten Frist nie in Gefahr. „Auch nicht als zusätzliche Aufgaben auf uns zukamen. Während der Abbrucharbeiten zeigte sich nämlich, dass die untere Schicht der Asphaltfahrbahn Asbest enthielt“, schildert Schumacher. Tatsächlich sind für den Umgang mit diesem Gefahrstoff spezielle Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. So müssen die Mitarbeiter, die mit Asbest in Berührung kommen, besondere Schutzkleidung tragen, und das Abbruchmaterial gilt als Sondermüll. Als die Abrissarbeiten beendet waren, türmten sich an Ort und Stelle rund 21 000 m3 Abbruchmasse, inklusive der Materialien, die zum Schutz der Gleise herangeschafft worden waren.
Urban mining wie aus dem Lehrbuch
„Neben dem Abbruch zählt auch der Abtransport und das Aufbereiten von Abbruchmaterial zu unserem Kerngeschäft“, berichtet Schumacher. Was kaum einer weiß: Die mineralischen Abfälle sind mit mehr als 220 Mio. t pro Jahr der mengenmäßig größte Abfallstrom in Deutschland. Dabei liegt die Verwertungsquote von Bauschutt, Straßenaufbruch, Boden und Steinen im Schnitt bei knapp 90 %. „In unserem Fall liegen wir bei 99 Prozent“, erläutert Schumacher. RWG I hat den Bauschutt recycelt und macht daraus Sekundärrohstoffe, die der Herstellung von Stahl, Beton oder Schotter dienen. Schadstoffe, wie Asbest, schleust RWG I dagegen konsequent aus dem Kreislauf aus und entsorgt sie sicher.
Erfolg dank Einsatzbereitschaft aller Beteiligten
Pünktlich, am 28. April konnte die Bahn den Betrieb wieder aufnehmen. Die Erfolgsschlüssel, sagen Krohn und Schumacher unisono, waren der außerordentliche Gemeinschaftsgeist und die professionelle Herangehensweise. „Das Projekt zeigt, was möglich ist, wenn alle an einem Strang ziehen. Die Einsatzbereitschaft aller am Projekt Beteiligten war einzigartig“, resümiert Schumacher. Dem pflichtet Krohn bei. „Hier waren Profis am Werk mit Sachverstand und Erfahrung; die wissen, was zu tun ist – auch und gerade in komplexen und zeitkritischen Projekten wie diesem.“
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