Zum E-Paper
Kulturhauptstadt 2025 Chemnitz 01.09.2025, 00:00 Uhr

Dokumentationszentrum zum NSU-Komplex

Am 25. Mai dieses Jahres wurde in der Kulturhauptstadt 2025 Chemnitz das NSU-Dokumentationszentrum „Offener Prozess – Ein Dokumentationszentrum zum NSU-Komplex“ errichtet. Es soll ein Erinnerungs-, Bildungs- und Lernort, mit Ausstellungen, Archiv, Forschungsbereich und einem Versammlungsort für Betroffene sein. Da der Verbleib in Chemnitz über das Jahr 2025 hinaus noch nicht gesichert ist, wurde es kreislaufgerecht geplant und gebaut.

Außenansicht des NSU Dokumentationszentrum Chemnitz. Foto: Tim Westphal, 2025.

Außenansicht des NSU Dokumentationszentrum Chemnitz.

Foto: Tim Westphal, 2025.

Mit dem NSU-Komplex wurde ein dunkles Kapitel der jüngeren deutschen Geschichte geschrieben: So hatte der NSU mindestens zehn unschuldige Menschen, neun von ihnen wegen ihrer Herkunft und eine junge Polizeibeamtin im Dienst, zwischen 2000 und 2007 ermordet; viele weitere Opfer leiden bis heute an körperlichen und seelischen Verletzungen.

Offenen Dialog fördern ohne gesellschaftliche Barrieren

Die Aufarbeitung der unzähligen schweren Straftaten der Haupttäter, der Morde und der Hintergründe ist trotz der Verurteilung 2018 ebenso wenig abgeschlossen wie die Traumata der Überlebenden und Hinterbliebenen bewältigt sind. In Chemnitz, wo das Trio über Jahre untergetaucht war, ruft das erste NSU-Dokumentationszentrum in ganz Deutschland zum Erinnern auf. Es lässt die Hinterbliebenen zu Wort kommen, beleuchtet die Fakten zu Ermittlungen, Ermittlungspannen und Gerichtsprozessen und gibt Raum für eine sehr persönliche Auseinandersetzung mit dem Thema NSU.

Eine offene Architektur grenzt niemanden aus

Der breit gefächerte Dialog, den die hinter dem Dokumentationszentrum zum NSU-Komplex stehenden Vereine ASA-FF e.V., RAA Sachsen e.V. und Initiative Offene Gesellschaft e.V. gemeinsam mit und in der Stadt Chemnitz führen, spiegelt sich auch in der Architektur vor Ort wider: Betritt man den Hauptzugang des Zentrums vom historischen Johannisplatz aus, fällt die Offenheit des zentralen Ausstellungsraumes schon nach der Türschwelle auf. In diesem einen, großen Raum fühlt sich niemand ausgegrenzt. Ein großzügiger Willkommensbereich mit einem Infotresen, verschiedene Tische, Stühle und Sitzgelegenheiten laden zum Innehalten, Ausruhen, Nachdenken und zum Austausch ein. Danach betritt man die Ausstellung mit den verschiedenen Stationen und dem umfangreichen Bild-, Ton- und Aktenmaterial. Die bisher noch nie gezeigten Inhalte und die große Menge detaillierter Informationen veranlassen die Gäste der Ausstellung, sich lange und intensiv mit der Thematik zu befassen. Das geschulte Personal ist dabei stets dezent in der Nähe von Besucherinnen und Besuchern und nimmt sich ihrer Fragen und Kommentare sachkundig an.

Eröffnungsveranstaltung im NSU Dokumentationszentrum Chemnitz am 25.5.2025.

Foto: Ernesto Uhlmann, 2025.

Opfern wie Angehörigen Sichtbarkeit verleihen

Die gute Einsehbarkeit aller Ausstellungsbereiche in einem szenenhaft ausgeleuchteten Raum und die Leichtigkeit der Innenarchitektur sollen weder über die Wichtigkeit des dokumentierten Themas noch über die persönlichen Tragödien von Opfern und Angehörigen hinwegtäuschen. Im Gegenteil; ein erfahrenes Projektteam aus Architektur, Szenografie, Innenarchitektur und Fachplanung schuf gemeinsam einen Ort, der jenen eine Sichtbarkeit verleiht, über die man viel zu wenig wusste: den Opfern sowie ihren Angehörigen und deren Kampf um Gerechtigkeit.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit – auch bei der Ausstellungsarchitektur

Dass Zusammenarbeit und Interdisziplinarität bei Entwurf, Planung und Realisierung des Projekts notwendig waren, zeigt der enge Zeitplan: Projektstart war am 1. November 2024, die Eröffnung bereits am 25. Mai 2025. Lange war nicht klar, ob das NSU-Dokumentationszentrum auch nach 2025 am Johannisplatz und in der Stadt Chemnitz bleibt. Unter anderem auch deshalb wurde konsequent kreislaufgerecht geplant und gebaut. Hohe Vorfertigung, Schraub- und Steckverbindungen, die sich leicht wieder trennen lassen, und Materialien, die einfach in den Wertstoffkreislauf zurückgegeben werden können, waren hierfür notwendig. Denn nur so lässt sich gewährleisten, dass die komplette Intervention innerhalb eines Monats wieder zurückgebaut werden kann, wenn nötig.

Archicad untersützte den Planungs- und Entwurfsprozess

Vorfertigung, Kreislaufgedanke und Interdisziplinäre Zusammenarbeit erfordern nicht allein kluge Köpfe bei den Projektbeteiligten, sondern gleichzeitig die passenden Werkzeuge in Entwurf, Planung und Realisierung. Darum zögerte Graphisoft Deutschland nicht, als im Frühjahr 2024 die Anfrage der Projektarchitektin Esther Gerstenberg für den Verein Initiative Offene Gesellschaft e.V. eintraf, ob das Unternehmen für die Planung zwei kostenfreie Archicad-Lizenzen zur Verfügung stellen könne. Die Software erwies sich für viele Einsatzbereiche als nützlich: Sowohl bei Studien und Vorentwürfen als auch bei der Erarbeitung der Grundlagen für die Ausstellungsdramaturgie und bei den darauffolgenden Ausschreibungen konnte Archicad das Team unterstützen.

Mehr als 7 000 Besucherinnen und Besucher

Das Zentrum konnte bis Mitte August 2025 schon über 7 000 Besucherinnen und Besucher begrüßen und 65 Veranstaltungen sowie 6 Workshops umsetzen. Die regionale, überregionale und internationale Berichterstattung sowie zahlreiche Veranstaltungen vor Ort haben sicher dazu beigetragen. Wesentlich sei jedoch vor allem das persönliche Engagement aller Beteiligten und das gemeinsame Ziel, einen Ort der Erinnerung, Begegnung und der kritischen Auseinandersetzung mit den Verbrechen des NSU zu schaffen, gewesen, heißt es in einer aktuellen Meldung von Graphisoft.

In der bundesweiten Piloteinrichtung sollen Erkenntnisse auch für andere Standorte in Deutschland gesammelt werden. Wahrscheinlich wird es auch für das Zentrum in Chemnitz mit Unterstützung des Freistaates Sachsen weiter gehen, sicher ist eine Finanzierung jedoch noch nicht.

Empfehlungen der Redaktion:

  1. Planen mit dem Metaverse
  2. Nichts mehr verpassen: Hier geht‘s zur Anmeldung für den Bauingenieur-Newsletter…
Von Von Graphisoft / Melanie Schulz