Warum Energieflexibilität in der Produktion jetzt zum Thema wird
Energieeffizienz ist nicht alles. In einer Demonstrationsfabrik in Darmstadt geht PTW-Leiter Matthias Weigold mit seinem Team bereits die nächsten Schritte zur ressourceneffizienten Produktion.
In der ETA-Fabrik des PTW an der TH Darmstadt werden Energieeffizienz, Energieflexibilität und Ressourceneffizienz in der Produktion erforscht. Der Prozess reicht von einem Ofen für die Rohteile über Werkzeugmaschinen und die Reinigung der Bauteile bis zum Energiemangement der Fabrikhalle.
Foto: M. Ciupek
INGENIEUR.DE: Welche Aspekte der ETA-Fabrik beschäftigen Ihre Gäste und Partner aktuell am meisten?
WEIGOLD: Unsere Gäste und Partner beschäftigen derzeit vor allem die Themen rund um die Digitalisierung der Fertigung, die hohen Energiekosten, aber auch die regulatorischen Anforderungen des Gesetzgebers zu Berichtspflichten wie die CSRD oder der DPP. Mit Blick auf Energie stehen deshalb das Thema Energieflexibilität, die Umsetzung des digitalen Produktpasses sowie Transformationsmaßnahmen auf Standortebene im Fokus. Darüber hinaus gewinnen Aspekte wie die energieorientierte Planung und Optimierung – sowohl in der Produktion als auch in der Versorgungstechnik – zunehmend mehr an Bedeutung.
Was können Sie ihnen mit auf den Weg geben?
Schon heute leisten einfache und kostengünstige Maßnahmen, die in der ETA-Fabrik demonstriert wurden, einen unmittelbaren Beitrag zur Steigerung der Energieeffizienz. Gleichzeitig zeigt sich, dass auch die Digitalisierung und die datengetriebene Produktion ein wichtiger Treiber für Effizienzsteigerungen sind.
Darüber hinaus bleibt es aber auch wichtig, im Rahmen der nachhaltigen Transformation der Industrie in langfristige Maßnahmen zu investieren. An entsprechenden Lösungen und Fragestellung für eine klimaneutrale Produktion der Zukunft forschen wir bereits heute intensiv. Erste Ergebnisse belegen, dass diese Ansätze nicht nur ökologisch wirksam, sondern auch ökonomisch nachhaltig tragfähig sind.
Wo sind die größten Energiesparpotenziale an einer Werkzeugmaschine?
Die größten Einsparpotenziale liegen in einem intelligenten Stand-by-Management und der Abschaltung bei Nichtnutzung, unterstützt durch eine vollständige IT-OT-Integration. Ergänzend tragen Kühlaggregate mit frequenzgeregelten Kompressoren und eine optimierte Hydraulikregelung wesentlich zur Effizienzsteigerung bei Werkzeugmaschinen bei. Auch Maßnahmen wie der Einsatz von Sitzventilen zur Reduktion hydraulischer Leckagen oder von Leichtbauspannmitteln zur Verringerung von Masse und Trägheit senken den Energiebedarf und steigern die Energieeffizienz einer Werkzeugmaschine.
Wo setzen Sie an, wenn diese Potenziale ausgeschöpft sind?
Sind die Effizienzpotenziale auf Komponenten- und Maschinenebene weitgehend ausgeschöpft, konzentrieren sich aktuelle Forschungsvorhaben auf die Energieflexibilität und die automatisierte Steuerung von Werkzeugmaschinen. Erste Untersuchungen zur Lastspitzensynchronisation im DC-Verbundnetz der ETA-Fabrik weisen auf vielversprechende Potenziale hin. Zusätzlich bestehen noch unerschlossene Möglichkeiten in der thermischen Vernetzung, der Betrachtung von Werkzeugmaschinen, bezogen auf das gesamte Energiesystem – sowohl zwischen Werkzeugmaschinen und weiteren Produktionsmaschinen als auch in der Kopplung mit der Versorgungstechnik und dem Gebäude.

„Wir zeigen im laufenden Betrieb, wie sich Umrüstungen von Erzeugern in der Versorgungstechnik hin zur Elektrifizierung realisieren lassen und wie sich zusätzliche Speicherlösungen integrieren, ohne dass dafür ein kompletter Neubau erforderlich ist“, erklärt Professor Matthias Weigold vom PTW der TU Darmstadt eine Besonderheit der ETA-Fabrik.
Foto: PTW
Sie haben den Vorteil, dass Sie die Gebäudetechnik bereits entsprechend geplant haben. Lässt sich davon auch etwas in bestehenden Fabriken umsetzen? Oder raten Sie zum Neubau von Hallen?
Die ETA richtet sich nicht ausschließlich an Greenfield-Projekte, sondern ist ebenso auf bestehende Produktionsanlagen übertragbar. Insbesondere die thermische Vernetzung zwischen Produktionsmaschinen lässt sich auch in Brownfield-Fabriken erfolgreich umsetzen. Mit unserer Lernfabrik (LEP) und den begleitenden Schulungsangeboten adressieren wir gezielt diese Zielgruppe – vor allem klein- und mittelständische Unternehmen. Darüber hinaus zeigen wir im laufenden Betrieb, wie sich Umrüstungen von Erzeugern in der Versorgungstechnik hin zur Elektrifizierung realisieren lassen und wie sich zusätzliche Speicherlösungen integrieren, ohne dass dafür ein kompletter Neubau erforderlich ist. Lediglich bestimmte Maßnahmen, wie die thermische Gebäudehülle der ETA-Fabrik, sind auf Neubauten beschränkt.
Betrachtet man Prozesskette mit Härteofen, Bearbeitungsmaschinen und Reinigungsmaschinen, wie sehen typische Verteilungen der Energieströme im Gesamtkontext aus?
Der Gasnitrierofen weist mit rund 77 kVA den höchsten Energiebedarf in der ETA-Linie auf. Die beiden Reinigungsmaschinen liegen bei etwa 50 kVA bzw. 20,7 kVA. Ergänzend dazu haben die beiden Werkzeugmaschinen eine Anschlussleistung von rund 30 kW (Drehmaschine) bzw. 45 kW (Schleifmaschine).
Ein Beitrag von: