Ende der privaten Kassen? 23.07.2013, 12:28 Uhr

Verbraucherschützer wollen nur noch eine integrierte Krankenversicherung

Verbraucherschützer möchten gesetzliche und private Krankenversicherung zusammenführen. „Privatpatienten dürfen nicht besser behandelt werden als Kassenpatienten“, sagt Gerd Billen, Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands. Eine „absurde Veranstaltung“, findet Volker Leienbach, der den Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) leitet – ein Streitgespräch.

"Wir fragen uns: Wie bekommt man eine bessere Versorgung? Wie sorgt man dafür, dass alle nach ihren Möglichkeiten zur Finanzierung beitragen?"Gerd Billen, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbandes

"Wir fragen uns: Wie bekommt man eine bessere Versorgung? Wie sorgt man dafür, dass alle nach ihren Möglichkeiten zur Finanzierung beitragen?"Gerd Billen, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbandes

Foto: VZBV

VDI nachrichten: Herr Billen, Sie fordern die Überführung der privaten (PKV) und der gesetzlichen (GKV) in eine integrierte Krankenversicherung. Was gefällt ihnen am dualen System nicht?

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Billen: In Deutschland bestimmt in erheblichem Maß der Status des Versicherten über den Zugang zur Versorgung. Weil Ärzte und Fachärzte bei Privatpatienten höhere Gebühren abrechnen dürfen und somit mehr verdienen, gibt es das Phänomen, dass sich in Gegenden mit einem hohen Anteil an Privatpatienten mehr Ärzte niederlassen. Diese Ärzte fehlen dann andernorts. Und weil Ärzte an Privatpatienten mehr verdienen, untersuchen sie diese häufiger als gesetzlich Versicherte, auch ohne medizinische Notwendigkeit. Dies sind nur zwei Beispiele für Anreizfehler im bestehenden System.

Leienbach: In der Tat sind Ärzte mit der Honorierung in der GKV nicht einverstanden. Hier gibt es vorgegebene Budgets, was letztlich zu einer Rationierung von Leistungen führt. Und was den Zugang zur Versorgung betrifft: In Deutschland haben wir den gleichmäßigsten Zugang weltweit, gerade weil es GKV und PKV gibt. Überall, wo auf juristischer Ebene ein Einheitssystem besteht, gibt es im realen Versorgungsalltag größere Unterschiede in der Versorgung der Bevölkerung, längere Wartezeiten und ein niedrigeres Leistungsniveau.

Billen: Ich sage ja nicht, dass die Versorgung in Deutschland schlecht ist. Aber die unterschiedliche Honorierung der Ärzte ist ein Problem. Privatpatienten müssen in der Regel nicht so lange auf einen Termin warten und der Arzt oder Facharzt ist oft in der Nähe. Dabei wird die Grundinfrastruktur wie Krankenhäuser oder das Netz an niedergelassenen Ärzten zum Großteil von der GKV finanziert. Ohne diese Infrastruktur wäre auch die Versorgungsnähe der Privatversicherten schlechter. Wir sagen aber auch, dass die über die PKV an Ärzte ausgeschütteten Honorare in der integrierten Krankenversicherung bleiben sollen. Die Frage ist nur, wie das Geld unter den Ärzten verteilt wird. Bisher schöpfen Facharztgruppen den größeren Teil ab. Aber sollten nicht auch Hausärzte eine angemessenere Honorierung erhalten? Unsere Umfragen unter Ärzten zeigen, dass diese eine integrierte Krankenversicherung nicht unisono ablehnen.

Leienbach: Die Stimmung auf dem Ärztetag sowie Umfragen von Ärzteverbänden und unter niedergelassenen Ärzten belegt eine überwältigende Ablehnung jeglichen Einheitsszenarios, auch der von Herrn Billen geforderten „integrierten Krankenversicherung“ – einem anderen Wort für Bürgerversicherung.

Billen: Zustimmung gibt es auch von den gesetzlichen Kassen. Anfang Juli sprach sich Jens Baas, Chef der Techniker Krankenkasse (TK), für einen einheitlichen Versicherungsmarkt aus. Auch andere Kassen werden nicht zu allem Nein sagen, was wir vorschlagen.

Leienbach: Die TK hat einen Tarif, der höhere Honorare zahlt und die TK-Versicherten genauso stellt wie privat Versicherte. Derselbe Baas, der jetzt ein einheitliches Honorarschema fordert, differenziert die Honorare. Können Sie das erklären?

Billen: Da müssen Sie ihn fragen.

„Ohne Privatversicherte wäre der Leistungskatalog deutlich kleiner, die Versorgung aller schlechter.“Volker Leienbach, geschäftsführender Vorstand des Verband der Privaten Krankenversicherung

„Ohne Privatversicherte wäre der Leistungskatalog deutlich kleiner, die Versorgung aller schlechter.“Volker Leienbach, geschäftsführender Vorstand des Verband der Privaten Krankenversicherung

Quelle: PKV

Leienbach: Der GKV-Spitzenverband hat klar gesagt, dass er diesen Weg nicht mitgeht. Danach ist die GKV keinesfalls bereit, den Ärzten Honorarausfälle bei Abschaffung der PKV zu kompensieren. Und wenn Sie sich um die Versorgung der Versicherten Sorgen machen, dann wissen Sie ja, dass pro Jahr 15 000 Beschwerden von GKV-Versicherten bei der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland eingehen. Da ist von Unterversorgung und von Verweigerung der Leistung die Rede ist. Dazu habe ich von Ihnen noch nie Kritik gehört.

Billen: Fehlversorgung kritisieren wir unabhängig vom Status der Krankenversicherung. Das können Sie in unseren Unterlagen nachlesen.

Leienbach: Aber wenn in der GKV nicht alles rund läuft, warum fordern Sie dann die GKV für alle?

Billen: Wir fordern nicht die GKV für alle. Wir fordern eine integrierte Krankenversicherung, die sich an der GKV orientiert, und die dafür sorgt, dass alle unter den gleichen Rahmenbedingungen versorgt werden, gerne auch von privaten Anbietern. Ziel ist eine bessere Qualität. Die Zusammenführung träfe vor allem die PKV, wäre aber auch für die GKV mit Änderungen verbunden. Es käme zu einer Anbieterkonzentration bei den Kassen. Die Tatsache, dass mehr als 80 % der Bevölkerung in der GKV sind, ist ein Hinweis, dass deren Angebot von der Mehrheit als richtig und angemessen empfunden wird. Im Begründungszwang sind die Privatversicherten, nicht die gesetzlichen.

Leienbach: Das sehe ich anders. In einer freiheitlichen Gesellschaft tragen Zwangssysteme die Beweislast. Und dass viele Menschen in der GKV sind, ist nicht das Ergebnis von Wahlentscheidungen, sondern das Ergebnis von Zwang; die GKV ist eine Pflichtversicherung.

Billen: Das finden wir ja auch richtig.

Leienbach: Ihre angeblich neue Welt ist nur die alte Welt der GKV.

Billen: Es gibt viele OECD-Länder, die eine Grundversorgung anbieten, die unabhängig davon ist, ob jemand alt oder jung ist, viel verdient oder wenig, krank oder gesund ist. Das ist eben der Gedanke hinter der Solidarversicherung im Rentensystem gilt dies übrigens ebenso.

VDI nachrichten: Muss die GKV angesichts der demografischen Entwicklung nicht ihrerseits dringend reformiert werden? Fast alle politischen Parteien machen entsprechende Vorschläge.

Leienbach: Alle Studien gehen in Zukunft von mindestens 50 Prozent höheren Beiträgen in der GKV aus Professor Beske sogar von einer Verdoppelung. Dies trifft eine Generation, die auch die hohe Staatsverschuldung abarbeiten muss. Wenn wir von Solidarität sprechen, müssen wir auch über Generationensolidarität sprechen.

Billen: Die Frage nach der Finanzierung ist berechtigt. Neben der Demografie treibt der medizinisch-technische Fortschritt die Kosten in die Höhe. Zugleich sind die Zinsen am Kapitalmarkt niedrig, was den privaten Krankenversicherern zu schaffen macht. Insofern haben GKV und PKV Probleme. Die Finanzierungsdiskussion ist aber kein Argument gegen Umlagefinanzierung. Vielmehr sollte man in bestimmten Bereichen eine Kapitaldeckung staatlich fördern. Auch sollten sich jüngere, gesündere, gut verdienende Menschen nicht aus der Solidargemeinschaft ausklinken, indem sie in die PKV gehen. Auch sie sollten zur gemeinsamen Finanzierung beitragen. Die GKV bekommt zwar einen Zuschuss vom Bund. Wir können höhere Ausgaben aber nicht nur über zusätzliche Schulden finanzieren.

VDI nachrichten: Wie sehr leiden die privaten Krankenversicherer unter dem Dauerzinstief?

Leienbach: Die Versicherten haben bis Ende 2012 rund 180 Mrd. € Altersrückstellungen gebildet. Zugleich liegt die Nettorendite im Branchendurchschnitt bei 4,2 %. Wenn die Zinsen noch sehr lange niedrig bleiben, ist diese Rendite nicht zu halten. Aber ein Kapitalstock mit niedriger Rendite ist immer noch zukunftsfester als kein Kapitalstock. Zudem ist es generationengerechteter, das eigene Älterwerden selbst zu finanzieren, als von der nächsten Generation finanzieren zu lassen.

Billen: Die Frage ist, wie sich die Beiträge eines PKV-Versicherten entwickeln. Meine Sorge ist, dass viele in die Grundsicherung fallen, wenn sie im Alter die Beiträge nicht mehr bezahlen können. Dann sind wir wieder in der Umlagefinanzierung, denn die Grundsicherung wird aus Steuern finanziert.

Leienbach: Die Sorge kann ich Ihnen nehmen. Wenn ein langjährig PKV-Versicherter in eine Notlage kommt, kann er in den günstigen Standardtarif oder in den Basistarif wechseln.

Billen: Das heißt, sie machen den Sozialausgleich innerhalb ihrer Versicherten.

Leienbach: Ja. Und wir erhalten keinen Bundeszuschuss. Im Gegenteil. PKV-Versicherte und PKV-Anbieter zahlen Steuern. Wir finanzieren also auch den Bundeszuschuss für die GKV mit.

Billen: Die PKV lebt davon, dass alle Beamten privat versichert sind.

Leienbach: Rund 5 Mio. Versicherte sind keine Beamten.

VDI nachrichten: Herr Billen, gibt es die PKV nur, weil dort so viele Beamte versichert sind?

Billen: Wenn 40 % der Versicherten ein gesichertes Einkommen haben, ist das eine relativ sichere Bank.

Leienbach: Für die GKV wären die Beamten kein gutes Risiko. Sie haben im Schnitt doppelt so viele Kinder wie der Durchschnitt der Bevölkerung. Und in der GKV sind Kinder kostenlos mitversichert auch der Partner, wenn er nicht erwerbstätig ist. In der PKV dagegen zahlt jedes Familienmitglied einen Beitrag.

VDI nachrichten: Ließen sich die Altersrückstellungen des PKV-Systems überhaupt rechtskonform in ein neues System übertragen?

Leienbach: In der integrierten Krankenversicherung wäre die PKV für Neukunden geschlossen. Das wäre das Ende der PKV. Das ist eine absurde Veranstaltung. Wir retten Branchen und ganze Länder und da kommt jemand daher, und sagt, die PKV soll es nicht mehr geben. Das hat natürlich eine starke juristische Dimension.

Billen: Die Ansprüche auf Altersrückstellungen wurden privatrechtlich erworben. Daher wäre es nicht zulässig, diese Gelder etwa dem Gesundheitsfonds zuzuschlagen. Man sollte aber über verfassungsrechtlich saubere Lösungen nachdenken. Schon jetzt gibt es innerhalb der PKV die Möglichkeit, Altersrückstellungen zu einem anderen Anbieter mitzunehmen. Und überhaupt: Kein Privatversicherter soll gezwungen werden, die PKV zu verlassen. Auch kein PKV-Anbieter soll per Zwang geschlossen werden. Die Überführung zweier Systeme in ein System wird Zeit brauchen. Und Beispiele für Eingriffe des Staates gibt es in anderen Branchen auch. Nehmen Sie nur den Beschluss, aus der Kernenergie auszusteigen.

Leienbach: Das habe ich mir gedacht, dass Sie das sagen. Haben wir ein Entsorgungsproblem?

Billen: Gehen Sie nach Holland. Dort wurde die PKV abgeschafft.

Leienbach: Das stimmt nicht. Dort haben alle Kassen einen privatrechtlichen Rahmen erhalten.

Billen: Ja, ein privatrechtlicher Rahmen mit nur noch vier Anbietern. Zuvor gab es unterschiedliche Krankenversicherungssysteme. Jetzt gibt es dort ein Einheitssystem. Und es ist nicht zu einem Volksaufstand gekommen. Auch in Deutschland sollten die Fehlanreize des dualen Systems beseitigt werden. Wir sind ja offen für Vorschläge.

Leienbach: Der Vergleich mit den Niederlanden ist schief. Dort gab es keine unterschiedliche Honorierung der Ärzte und keine PKV mit Alterungsrückstellungen. Und auch heute sind die Niederlande kein gesundheitspolitisches Vorbild. Gerne hätten wir darüber – wie über andere Verbraucherthemen – gerne mit Ihnen gesprochen, Herr Billen. Unser Verband hat Ihnen immer eine Diskussion angeboten. Allerdings unternehmen Sie nicht einmal den Versuch, die Probleme innerhalb der einzelnen Systeme zu untersuchen und zu lösen. Stattdessen stellen Sie die Systemfrage. Das halte ich für einen steuerfinanzierten Verbraucherschützer zumindest für bemerkenswert. Woher nimmt jemand die Autorität, einen Zweig mit 70 000 Beschäftigten, 180 Mrd. € Rückstellungen und deutlich überwiegend sehr zufriedenen 9 Mio. Versicherten zu schließen?

Billen: Das habe ich bereits gesagt. Wir fragen uns: Wie bekommt man eine bessere Versorgung? Wie beseitigt man Ungerechtigkeiten? Wie sorgt man dafür, dass alle entsprechend ihren Möglichkeiten an der Finanzierung beteiligt werden? Aktuell haben wir ein Modell, in dem über 80 % der Bevölkerung versichert sind, die aber nicht in die PKV wechseln können, weil es Einkommensgrenzen und Zutrittsbarrieren gibt.

Leienbach: Und die übrigen 20 % interessieren Sie nicht? Die PKV profitiert zwar davon, dass es die GKV gibt. Aber das gilt umgekehrt auch. Ohne die PKV wäre – das sagen auch prominente Vertreter der GKV – deren Leistungskatalog deutlich kleiner, die Versorgung aller schlechter.

VDI nachrichten: Herr Billen, gäbe es in der integrierten Krankenversicherungen Platz für private Zusatzversicherungen?

Billen: Durchaus. Wer möchte, kann bestimmte Dinge privat versichern. Es muss aber ein hohes Niveau in der Grundversorgung sichergestellt sein.

Leienbach: Nochmals: Wenn es Ihnen wirklich um eine bessere Versorgung geht, dürfen Sie nie für ein Einheitssystem sein auch nicht für substanzielle Zusatzversicherungen. In England zum Beispiel zahlen 11 % der Bevölkerung parallel zu ihren Steuern für das nationale Gesundheitssystem Geld für privaten Krankenversicherungsschutz mit exklusivem Zugang zu Ärzten und Krankenhäusern. Das gleiche würde in Deutschland passieren. In allen Ländern mit Einheitssystem bilden sich parallele Versorgungssysteme heraus. Wer es sich leisten kann, kauft sich aus dem Einheitssystem heraus.

Billen: Der entscheidende Unterschied zwischen Ländern mit Einheitssystem und Deutschland ist die Beitragshöhe. Hierzulande ist die Versorgung besser, weil wir höhere Krankenversicherungsbeiträge zahlen. Wir wollen eine gute Versorgung. Und die lassen wir uns etwas kosten.

Leienbach: Die Grundversorgung ist gut, weil es die PKV gibt. Ohne PKV wäre der Leistungskatalog der GKV deutlich niedriger. Gesetzliche Kassen sagen, wenn der Staat noch mehr Leistungen kürzt, gehen die Leute zur PKV. Die PKV ist ein Korrektiv. In der gesetzlichen Rentenversicherung etwa gibt es die ersetzende private Versicherung nicht. Die Folge sind dramatische Rentenkürzungen.

VDI nachrichten: Wie nah ist die integrierte Krankenversicherung an der Bürgerversicherung?

Billen: In beiden Modellen gibt es ähnliche Tendenzen. Bemerkenswert ist, dass die CDU, die ja die Bürgerversicherung ablehnt, über Reformen im Gesundheitssystem nachdenkt. Mit der integrierten Krankenversicherung haben wir einen Vorschlag gemacht. Wir empfehlen auch, Reformen in der kommenden Legislaturperiode anzupacken.

Leienbach: Die beiden Modelle unterscheiden sich in der Wortwahl, aber der Inhalt ist gleich: Ein Einheitssystem, das im Ergebnis zu einer schlechteren Versorgung führt.

VDI nachrichten: Welche Folgen hätte eine integrierte Krankenversicherung für PKV-Versicherte?

Billen: Wenn die Leistungen von Ärzten gleich honoriert würden, würde der eine oder andere PKV-Versicherte nicht mehr bevorzugt behandelt. Dies betrifft einige Facharztbereiche. Und da die Beiträge in der GKV teilweise höher sind als in der PKV, könnte der Krankenversicherungsschutz für heute Privatversicherte teurer werden.

Leienbach: In der integrierten Krankenversicherung würde der Neuzugang zur PKV verboten. Für Neuversicherte gäbe es kein Wahlrecht – PKV oder GKV – mehr. Laut einem Verdi-Gutachten würden in der PKV-Branche auf einen Schlag 35 000 Arbeitsplätze wegfallen. Für die bereits PKV-Versicherten würden Änderungen in der Gebührenordnung für Ärzte Auswirkungen haben. Ansonsten bliebe für PKV-Mitglieder alles beim Alten. Durch die Alterungsrückstellungen sind sie sicher ausfinanziert. Eine Lösung, die Alterungsrückstellungen rechtskonform in das Einheitssystem zu übertragen, gibt es nicht. Alterungsrückstellungen liegen nicht auf einem Sparkonto der Versicherte kann damit nicht nach Mallorca fliegen. Die Rückstellungen haben die Funktion, altersbedingt steigende Ausgaben abzufedern und im Idealfall zu kompensieren. Das kann nur im PKV-System mit Kapitaldeckung geschehen. Ansonsten würde der Bundeszuschuss zur dann integrierten Krankenversicherung steigen. Die Versorgung würde schlechter. Die Generationengerechtigkeit bliebe auf der Strecke. 

Ein Beitrag von:

  • Stefan Terliesner

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